Bella oder Millionengrab? - Lufthansa prüft Italien-Einstieg
Nach jahrelangem Feilschen steht die Lufthansa kurz vor dem Einstieg bei Italiens Staats-Airline Ita. In den Verhandlungen geht es vor allem um die Begrenzung des staatlichen Einflusses.
Das Wichtigste in Kürze
- Italien ist schon seit Jahrzehnten das Sehnsuchtsland deutscher Airline-Manager, ohne dass diese Liebe bislang gross erwidert worden wäre.
Doch nun mehren sich in Frankfurt und Rom die Signale, dass der Lufthansa-Konzern sehr bald bei der Staatsfluglinie Ita einsteigen könnte. Im Airline-Monopoly nach überstandener Corona-Krise scheint die Alitalia-Nachfolgerin ein attraktives Ziel zu sein. «Bella Italia» sei eben nicht nur eine attraktive Destination für Reisende aus der ganzen Welt, sondern auch ein kaufkräftiger und lukrativer Ausgangsmarkt, erläutert Accenture-Berater Andreas Jahnke.
Bereits vor Weihnachten rollte die neue Rechts-Regierung unter Giorgia Meloni dem Kranich-Konzern den Teppich aus. Die Ita soll dem Dekret zufolge nur an ein Luftverkehrsunternehmen gehen, das zudem selbst bei einer Minderheitsbeteiligung den vollen Durchgriff auf das operative Geschäft erhalte. Immer wieder wurde danach in den Medien kolportiert, dass Lufthansa zunächst für einen Anteil von um die 40 Prozent bieten könne. In Rede stehen Beträge zwischen 200 und 350 Millionen Euro.
Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat die Zugeständnisse der Regierung wohl gerne gehört, doch letztlich wollen die Deutschen im politisch wankelmütigen Italien mehr. Am besten eine wasserdichte Vereinbarung, wie sie die übrigen Anteile übernehmen können – oder eine komfortable Ausstiegsklausel. Jahnke sagt dazu: «Man muss auch die Risiken veränderter politischer Konstellationen in Italien und mögliche Abkehr von früheren Zusagen im Blick behalten. Eine bessere Lösung wäre daher die vollständige Übernahme und Befreiung von jeglicher Einmischung durch den italienischen Staat.»
Umsatzstarker Markt
Italiens Ex-Premier Mario Draghi hatte die legendäre Ita-Vorgängerin Alitalia mal als «teure Verwandtschaft» bezeichnet, die man trotzdem nicht fallen lasse. Tatsächlich kränkelte die Exklusiv-Airline des Papstes bereits seit Jahrzehnten. Seit 2002 hatte sie keinen Gewinn mehr ausgewiesen und befand sich zuletzt 2017 in der Insolvenz. Neben immer wieder bewilligten Milliarden-Subventionen versickerten auch Investorengelder der arabischen Etihad oder der Air France-KLM.
Die seit Oktober 2021 aktive Nachfolgerin Ita ist nach mehreren Pleiten der Alitalia vom Staat herausgeputzt worden, flog aber aktuell auch nur Verluste ein. Nur ein gutes Viertel der Beschäftigten blieb an Bord, die Airbus-Flotte von zuletzt 66 Flugzeugen soll umfassend erneuert und auf 104 Jets erweitert werden. Die Ita wollte zuletzt auch wieder rund 1200 Mitarbeiter neu einstellen und wäre dann grösser als die bislang grösste und lukrativste Lufthansa-Tochter Swiss.
Der Markt südlich der Alpen gehört zu den umsatzstärksten in Europa. Bereits Spohrs Vorvorgänger Wolfgang Mayrhuber hatte 2009 versucht, die neu gegründete «Lufthansa Italia» gegen die damals gerade privatisierte Alitalia zu etablieren. Nach hohen Verlusten verblieb 2011 nur noch die Lufthansa-Tochter Air Dolomiti, um Umsteiger aus dem reichen Norditalien nach München abzusaugen. Nicht ohne Erfolg: Nach den USA ist Italien für Lufthansa der zweitwichtigste Auslandsmarkt, wie Spohr stets betont. Schon vor der sich nun abzeichnenden Übernahme hat der Kranich mehr Passagiere aus den USA mit dem Endziel Italien geflogen als nach Deutschland.
Lufthansa war einem Einstieg in Italien sicherlich noch nie näher, sagt der Prologis-Berater Jürgen Krumtünger. Aus seiner Sicht sollte sich Spohr nur mit einer Mehrheitsbeteiligung auf das Wagnis einlassen, um die «wirklich notwendigen Reformen und überfällige Sanierung der ITA ernsthaft angehen zu können». Allzu fordernde Einflüsse seitens der Politik müsse er sich verbitten, weil sich Lufthansa nach den Corona-Jahren kein neues Millionengrab mehr leisten könne.
Für Lufthansa spricht, dass der Konzern bereits in der Vergangenheit ehemalige Staatsgesellschaften in ihr Multi-Drehkreuz-System integriert hat: Die Swiss ist nach der Sanierung zur Ertragsperle unter den Lufthansa-Töchtern geworden. Auch die Austrian und die belgische Sabena-Nachfolgerin Brussels Airlines wurden nicht einfach eingestampft: Die Flughäfen Wien, Zürich und Brüssel behielten auch viele Langstreckenflüge.
Die Brussels Airlines haben die Frankfurter übrigens in einem zweistufigen Verfahren übernommen, wie es nun möglicherweise auch in Italien geplant sein könnte. Bereits mit den ersten 45 Prozent erhielt der Konzern eine Option, die übrigen Anteile zu einem späteren Zeitpunkt zu erwerben. Seit 2017 ist die belgische Gesellschaft vollständig im Besitz der Lufthansa.
Spohr hat damit geworben, im Fall einer Ita-Übernahme Rom als Drehkreuz zu erhalten, vor allem Richtung Afrika und Südamerika. Allzu viel Drehkreuz-Power sollte Italiens Regierung aber nicht erwarten, sagt Gerald Wissel von der Luftverkehrs-Beratung Airborne. «Der Flughafen Rom kann nur Fernflüge behalten, die aus dem eigenen Einzugsgebiet genug Passagiere haben. Eine Verlagerung aus anderen Drehkreuzen des Konzerns ist nicht zu erwarten.»
Ohnehin sei das aus politischen Rücksichten aufrechterhaltene Drehkreuz-System des Konzerns längst an die Grenzen seiner Komplexität gekommen. Wissel rät zu einem grösseren Blick: «Lufthansa sollte die Ita-Übernahme als Chance nutzen, zu einem echten europäischen Airline-Konzern zu werden. Dazu müssten die einzelnen Gesellschaften stärker zentral gesteuert werden.»