Bidens F-16-Kehrtwende: Die neue Kampfjet-Koalition für Kiew

DPA
DPA

Russland,

Die ukrainische Regierung holte sich bei der Bitte um Kampfjets eine Abfuhr nach der anderen aus Washington ab. Für Selenskyj gibt es beim G7-Gipfel nun aber ein Gastgeschenk. Was genau ist geplant?

Im Fokus der Kampfjet-Gespräche: Kampfflugzeuge vom Typ F-16 Fighting Falcon.
Im Fokus der Kampfjet-Gespräche: Kampfflugzeuge vom Typ F-16 Fighting Falcon. - Harald Tittel/dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Und Joe Biden macht es doch.

Nach monatelangem Zögern lenkt der US-Präsident ein und erfüllt seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj einen lange gehegten Wunsch: Biden macht den Weg frei für eine Lieferung von Kampfjets des amerikanischen Typs F-16 an Kiew. Schon wenige Wochen nach dem russischen Einmarsch im Februar 2022 bat die ukrainische Regierung um Kampfflugzeuge. Auf ihre stetigen Forderungen und Bitten in den Monaten danach kam aus Washington und von Biden persönlich nur ein rigoroses Nein. Jetzt folgt die Kehrtwende der US-Regierung. Es stellt sich nun die Frage, ob das auch Deutschland umstimmen könnte.

Was genau ist geplant?

Die USA unterstützen die Ausbildung ukrainischer Piloten an Kampfjets westlicher Bauart. Während das Training läuft, wollen die USA und die Koalition von Ländern, die sich an dem Vorhaben beteiligen, dann weitere Entscheidungen treffen: wer am Ende tatsächlich Kampfjets bereitstellt, wie viele und wann. Ganz viel ist noch offen. Klar ist vorerst nur, dass die Ausbildung der Piloten ausserhalb der Ukraine an Standorten in Europa stattfinden wird, möglichst schon in den kommenden Wochen beginnen soll – und Monate dauern wird.

Haben die USA selbst eine Lieferung von F-16 zugesagt?

Nein. Die US-Regierung hat das ausdrücklich offengelassen. Der Weg ist aber geebnet dafür, dass andere Länder am Ende F-16 aus ihren Beständen an die Ukraine abgeben können. Biden hat grundsätzlich Zustimmung signalisiert – auch wenn die konkreten Entscheidungen dazu erst im nächsten Schritt fallen werden. Denkbar ist durchaus, dass die USA am Ende womöglich selbst gar keine Flieger bereitstellen.

Warum hing alles an den USA?

Die F-16 werden von der US-Firma Lockheed Martin gebaut. Den USA kommt dadurch eine Schlüsselrolle zu, nicht nur wegen ihrer grossen eigenen Bestände. Sie müssen auch jeden Export von F-16 aus den Beständen Verbündeter genehmigen. Und sie haben wegen der sensiblen Technologie der Jets selbst Mitsprache dabei, wer daran ausgebildet wird. Den europäischen Partnern waren ohne ein OK der USA so die Hände gebunden. Eine Einschränkung hat die US-Ankündigung: Es geht um «Kampfflugzeugen der vierten Generation, einschliesslich der F-16».

Was bedeutet das?

Der Verweis bedeutet vor allem, dass Kiew die allerneuesten Kampflugzeuge wie die F-35 vorerst nicht bekommen soll. Gleichzeitig wird damit aber auch deutlich gemacht, dass neben F-16 auch noch andere Modelle geliefert werden könnten. So werden zur vierten Generation von Kampfflugzeugen auch die von Deutschland genutzten Tornados und Eurofighter, die französischen Mirage 2000 oder andere amerikanische Modelle wie die F-15 und F/A-18 Hornet gezählt.

Welche Länder haben F-16, und wer will sich beteiligen?

Als Lieferländer für die F-16 kommen neben den USA noch diverse andere Staaten wie die Niederlande, Belgien, Polen, Dänemark und Griechenland in Frage. Sie alle nutzen den leistungsfähigen Jet bis heute. An der Pilotenausbildung wollen sich zudem auch Grossbritannien und Frankreich beteiligen, die selbst keine F-16 im Einsatz haben.

Warum will Kiew unbedingt die F-16?

Dass die Ukraine F-16 und keine anderen Mehrzweckkampfflugzeuge will, liegt daran, dass die US-Jets noch immer als äusserst leistungsfähig gelten und weit verbreitet sind. Weltweit waren zuletzt noch mehr als 2800 Exemplare im Einsatz. Kiew kann deswegen darauf hoffen, grössere Stückzahlen und keine grossen Probleme bei der Ersatzteilbeschaffung zu bekommen.

Was erhoffen sich die Ukrainer von den Kampfjets?

Sie gehen davon aus, dass sich mit F-16 die Zahl erfolgreicher russischer Raketen- und Drohnenangriffe deutlich reduzieren lassen könnte. Dazu würden sie im Verbund mit bodengestützten Flugabwehrsystemen eingesetzt. Zudem will die Ukraine westliche Kampfjets, um sie bei Offensiven gegen die russischen Angreifer zur Unterstützung der Bodentruppen einzusetzen. «F-16 werden es uns ermöglichen, unseren Himmel zu kontrollieren, unsere Truppen zu schützen, ihre Verluste zu reduzieren und die Chancen unserer Piloten zu erhöhen, Luftkämpfe zu überleben», schrieb der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba jüngst in einem Gastbeitrag für das US-Fachmagazin «Foreign Policy». Eine Lieferung von F-16 könne dadurch auch für ein schnelleres Kriegsende sorgen.

Ist Deutschland mit dabei bei der Kampfjet-Koalition?

Davon ist nicht auszugehen. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Lieferung von Kampfjets westlicher Bauart schon vor Wochen als nicht sinnvoll bezeichnet. Ausserdem weist er darauf hin, dass Deutschland zu den wichtigsten Waffenlieferanten für Kiew zählt. Berlin hat eine Allianz zur Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern aus deutscher Produktion geschmiedet und erst vergangene Woche ein weiteres, 2,7 Milliarden Euro schweres Waffenpaket geschnürt. Scholz' Devise ist nun: Keine Waffensysteme neuer Qualität, sondern mehr vom selben – vor allem Flugabwehrsysteme, Panzer, Artillerie, Munition. F-16 hat Deutschland ohnehin nicht zu bieten. Die Bundeswehr fliegt Eurofighter und Tornados. London und Paris hindert das aber auch nicht an einem Engagement.

Warum haben die Amerikaner so lange gezögert?

Sorge bereitete den USA, dass die westlichen Kampfjets womöglich für Attacken über russischem Gebiet eingesetzt werden und Moskau so zur Eskalation des Krieges über die Ukraine hinaus veranlassen könnten. Auch den grossen Aufwand bei der Ausbildung der Piloten und der Techniker, die die Jets instand halten müssen, brachten die Amerikaner als Einwand vor. Nicht zuletzt sind die F-16 sehr teuer und würden den finanziellen Spielraum für andere Waffensysteme einschränken. Der Faktor Geld ist nicht unbedeutend: Die Republikaner haben mit ihrer neuen Macht im US-Kongress bereits gedroht, die Ukraine-Hilfen nicht mehr im ganz grossen Stil zu bewilligen.

Warum hat Biden ausgerechnet jetzt eingelenkt?

Europäer drängten die USA zuletzt zunehmend, sich zu bewegen. Hinter vorgehaltener Hand schlossen die Amerikaner nie aus, am Ende doch F-16 zu liefern oder Partnern dabei zumindest nicht im Weg zu stehen – nicht unbedingt aus Überzeugung, sondern im Zweifel auch nur, um die Allianz der Ukraine-Unterstützer zusammenzuhalten. Genau das ist nun eingetreten. Nicht zum ersten Mal. Auch der Bereitstellung eigener Kampfpanzer an Kiew etwa stimmten die USA erst nach langem Zögern zu – um Deutschland Rückendeckung für die Lieferung seiner Leoparden zu geben. Das Timing dürfte auch mit Selenskyjs Überraschungsbesuch beim G7-Gipfel in Japan zusammenhängen. Die G7-Staaten konnten ihn bei dem aufsehenerregenden Trip nicht mit leeren Händen nach Hause schicken.

Wie begründen die Amerikaner die Entscheidung selbst?

Offiziell will die US-Regierung von einer Kehrtwende nichts wissen. Bidens Nationaler Sicherheitsberater, Jake Sullivan, sagt, vorher sei schlicht nicht die richtige Zeit für F-16 gewesen. Die Entscheidung über Waffenlieferungen an Kiew seien von Anfang an an den Erfordernissen des Kriegsgeschehens ausgerichtet gewesen. Die USA hätten alles Versprochene geliefert. Nun gehe es darum, in die Zukunft zu blicken und zu schauen, was das ukrainische Militär langfristig brauche, um Russland abzuschrecken und abzuwehren. Da kämen die Jets ins Spiel.

Weiterlesen

a
oeuvray kolumne
3 Interaktionen

Mehr aus Russland

3 Interaktionen
Russland Oma Einkaufstaschen
290 Interaktionen
Fico
18 Interaktionen