Brüssel: Merkels Tag der Entscheidung
Es ist ein eng getakteter Tag mit vielen Diskussionen für Merkel. Ist dieser Donnerstag der Tag, der über die Kanzlerschaft der «Königin Europas» entscheidet?
Das Wichtigste in Kürze
- Der EU-Gipfel findet heute und morgen statt.
- Die CSU könnte durch einen Alleingang auch europapolitisch Schaden anrichten.
- Für Merkel dürfte es um die Kanzlerschaft gehen.
Das Fazit des Asyl-Sondergipfels: Nach vier Stunden Reden fand man eine Art Minimalkonsens. «Wir sind uns alle einig, dass wir die illegale Migration reduzieren wollen, dass wir unsere Grenzen schützen wollen und dass wir alle für alle Themen verantwortlich sind», fasste Merkel das Treffen zusammen. Nur, was nützt ihr das im konkreten Streit mit Schwesterpartei CSU?
Innenminister Horst Seehofer, der CSU-Chef, drohte mit einseitiger Zurückweisung von Migranten an der deutschen Grenze – eine Abkehr von Lösungen im Konsens würde nicht nur die grosse Koalition in Berlin sprengen sondern wäre auch europapolitisch gefährlich.
Ausschiffungszentren
Im Entwurf der Gipfelerklärung ist wieder die Rede von besserem Schutz der Aussengrenzen, dazu von der Idee der «Ausschiffungszentren» ausserhalb der EU. Das würde Italien gefallen. Und das wird wohl auch der CSU gefallen, würde es doch die Zahl der Ankommenden in Europa reduzieren. Aber es ist eben kurzfristig keine Antwort auf Seehofers Forderung, die Weiterreise bereits in der EU registrierter Asylbewerber nach Deutschland zu unterbinden.
Diese «Sekundärmigration» ist im Entwurf der Gipfelerklärung nur kurz angerissen: Sie sei gefährlich für das europäische Asylsystem und das Abkommen von Schengen. «Mitgliedstaaten sollten alle nötigen internen gesetzgeberischen und administrativen Massnahmen ergreifen, um solchen Bewegungen entgegenzuwirken, und dabei eng zusammenarbeiten.» Wie das geschehen soll, wird der Gipfel wohl offen lassen.
Droht eine Eskalation?
Die Entscheidung fällt am Wochenende in München (DE). Alles hängt davon ab, ob Seehofer und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder es auf eine Eskalation anlegen – oder nicht. Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte dazu: «Wir wissen ja seit drei Jahren, dass die europäischen Lösungen schwierig sind. Aber der Zeitplan jetzt ist ja klar.» Manche halten es für möglich, dass die CSU den Streit zumindest vorerst nicht weiter eskalieren lässt und daraus einen «frozen conflict» macht.
Diesmal geht es womöglich um Merkels Kopf.
Angela Merkel hat in ihren 13 Jahren an der Macht unzählige EU-Gipfel überstanden, jetzt aber zerren andere unberechenbare Kräfte an der EU – Europaverächter, Populisten, autokratische Politiker. Und Merkel wirkt auf einige bereits angezählt. Noch vor einer Woche, erzählt ein Diplomat, hätte er die Kanzlerin ohne Zögern die «Königin Europas» genannt, und im Prinzip sei das natürlich immer noch so. «Aber einige haben schon Blut geleckt», sagt der Brüssel-Kenner. Diesmal geht es womöglich um Merkels Kopf.