Chemnitzer will Rhein in 25 Tagen entlangschwimmen
Den deutschen Teil der Elbe ist Joseph Hess entlanggeschwommen, hat die Strasse von Gibraltar durchquert und es von Sardinien nach Korsika geschafft. Nun knöpft er sich den Rhein vor - auch im Dienst der Wissenschaft.
Das Wichtigste in Kürze
- Mehr als 1200 Kilometer in 25 Tagen: Der Chemnitzer Langstreckenschwimmer Joseph Hess ist fest entschlossen, den Rhein in so kurzer Zeit zu bezwingen wie kein anderer vor ihm.
Er suche «ein bisschen Abenteuer» als Ausgleich zu seinem Bürojob und wolle zugleich der Wissenschaft einen Dienst leisten, sagt der promovierte Wirtschaftsingenieur. Das Projekt «Swim4Science» wird von Wissenschaftlern und Studenten mehrerer Hochschulen in Leipzig, Chemnitz, Mittweida und Furtwangen begleitet.
Zuletzt hat Hess nahezu täglich trainiert, am Stausee Rabenstein bei Chemnitz, an der Elbe bei Dresden, am Chiemsee. Nun läuft der Countdown: Am Samstag (11. Juni) will Hess in den Schweizer Alpen nahe der Quelle des Rheins ins Wasser steigen, Anfang Juli soll die Mündung bei Rotterdam erreicht sein. Acht bis zehn Stunden will er dafür täglich im Fluss sein.
«Die Strömung ist eine grosse Gefahr»
Dabei muss der 34-Jährige nicht nur eine immense körperliche Belastung meistern. «Die Strömung ist eine grosse Gefahr», sagt er. Hinzu kommen der rege Schiffverkehr und Verunreinigungen des Wassers. Wo der Rhein in den Alpen als wilder Gebirgsfluss dahinschiesst, will Hess nicht kraulen, sondern sich mit den Füssen voran dahintragen lassen. Begleitet wird er von einem Team, das ihm von einem Kanu aus Essen reicht.
Der Chemnitzer wäre nicht der Erste, der den Rhein der Länge nach durchschwimmt. 1969 hatte Klaus Pechstein den Fluss auf diese Weise bezwungen, 30 Tage brauchte er. 2014 stieg der Schweizer Extremsportler Ernst Bromeis in den Rhein und benötigte einschliesslich Ruhezeiten 44 Tage. Im selben Jahr startete der Chemieprofessor Andreas Fath im Tomasee in der Schweiz einen Schwimm-Marathon und erreichte nach 28 Tagen die Nordsee. Unterwegs sammelte er Wasserproben.
Der 57-jährige Fath, der an der Hochschule Furtwangen im Schwarzwald lehrt, ist im April in die Donau gestiegen. Mehr als 2000 Kilometer hat er seither absolviert und krault derzeit durch Rumänien. Am 17. Juni will er die Schwarzmeerküste erreichen. Auch dieses Mal sammelt er Proben, um den Zustand der Donau zu dokumentieren.
Ein Fluss sei Spiegel der Menschen, die an ihm leben, sagt der Forscher. «Ich erkenne am Fluss, welche Pestizide sie auf ihre Felder ausbringen, ob sie Kläranlagen haben, welche Medikamente sie nehmen», erklärt er. «Wir sehen auch, dass die Plastikvermüllung der Ufer stark zunimmt, je weiter östlich wir kommen.» Bei Belgrad habe er einen Abschnitt auslassen müssen, weil dort massiv ungeklärte Abwässer in die Donau geleitet werden. «Ich wollte nicht in den Fäkalien von mehr als einer Million Menschen schwimmen.»
Für Fath ist der Schwimm-Marathon ein Mittel, um auf die Verschmutzung des Flusses aufmerksam zu machen. Diesem Vorbild folgend stellt auch Rheinschwimmer Hess sein Abenteuer in den Dienst der Wissenschaft. Für Fath wird er im Rhein Daten zu Schadstoffen sammeln. Über den Vergleich mit dessen 2014er-Werten soll erfasst werden, wie sich der Zustand des Flusses entwickelt hat.
«Es ist ein einsamer Sport»
Sportpsychologen der Universität Leipzig nehmen Erholungs- und Belastungszustände im Verlauf des Vorhabens in den Blick. Dazu habe Hess ein spezielles Training absolviert, erklärt Professorin Anne-Marie Elbe. Dort sei geübt worden, wie in Situationen grosser Belastung die Aufmerksamkeit auf Dinge gelenkt werden kann, die einem Kraft geben. Und Studenten der Hochschule Mittweida drehen einen Dokumentarfilm über das Projekt. Dabei erproben sie klimaschonende Filmproduktion, wie Professorin Rika Fleck erläutert.
Hess kann auf frühere Erfahrungen bauen: 2017 ist er den deutschen Teil der Elbe entlanggeschwommen, rund 620 Kilometer in 12 Tagen. Auch die Strasse von Gibraltar zwischen Europa und Afrika hat er schwimmend durchquert und die Strecke von Sardinien nach Korsika zurückgelegt. «Es ist ein einsamer Sport», sagt er, «weil man nichts hört und nichts sieht».