Chinesen unter Generalverdacht: Der Nebenplatz bleibt frei

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Rumänien,

Asiatisch aussehende Menschen in Deutschland stellen in diesen Tagen fest, dass der Sitz neben ihnen in der Strassenbahn frei bleibt. Das Coronavirus zeigt Wirkung - auch ohne Ansteckung. Andensorts in Europa spüren Chinesen teils noch stärker, dass Mitmenschen plötzlich Angst vor ihnen haben.

Unter Corona-Generalverdacht: Yen Souw Tain, Geschäftsführer eines Supermarktes für asiatische Spezialitäten in Köln. Foto: Roberto Pfeil/dpa
Unter Corona-Generalverdacht: Yen Souw Tain, Geschäftsführer eines Supermarktes für asiatische Spezialitäten in Köln. Foto: Roberto Pfeil/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Er ist in Deutschland geboren.

Er hat ausschliesslich die deutsche Staatsbürgerschaft. Er spricht akzentfrei Deutsch. Und dennoch hat er seit seiner Kindheit immer wieder das Gefühl, nicht richtig dazuzugehören. Weil Yen Souw Tain chinesische Wurzeln hat.

Es begann schon in der Schule. «Schlitzauge» wurde er da genannt - und dabei zogen sich die anderen dann ihre eigenen Augen in die Länge. Er kennt das vage Reden über eine «gelbe Gefahr». Er hat immer versucht, das abzuhaken.

Jetzt sorgt die Angst vor dem Coronavirus weltweit verstärkt für negative Emotionen - neue und alte. In Malaysia etwa fand eine Online-Petition für ein Einreiseverbot für Chinesen Hunderttausende Unterstützer.

Am vergangenen Freitag, wurde es Yen Souw Tain in Köln jedenfalls zu viel. «Da hab ich einfach mal meinen Frust rausgelassen», sagt er. Er postete etwas auf Facebook. «Liebe Kunden und Asia Fans», begann der 32-Jährige. Damit richtete er sich an diejenigen, die im Supermarkt seines Vaters in Köln einkaufen. Ein Markt für asiatische Spezialitäten. Ein Markt, in dem es gerade deutlich ruhiger ist als sonst.

«Was wir im Moment erlebt haben, ist sehr traurig», schrieb Tain. Er schilderte folgende Szene: Eine Frau kommt mit ihrer etwa zehn bis zwölf Jahre alten Tochter in den Supermarkt und fordert sie auf: «Zieh deinen Schal vors Gesicht!» An der Kasse fragt das Mädchen die Mutter: «Sind denn alle Chinesen hier krank?» Die Mutter antwortet nicht. Sie bezahlt schnell und hastet nach draussen.

«Das fand ich schockierend», sagt Tain. «Das Personal stand dabei, andere Kunden haben es gehört. Und die Mutter hat das so stehen gelassen.» Für ihn sei das eine Form von «Rassismus, den man nicht sofort erkennt». Er kann verstehen, dass sich die Mutter Sorgen um die Gesundheit ihres Kindes macht. Aber er kann nicht verstehen, dass sie die Frage nicht beantwortet hat. Dass sie nicht gesagt hat: «Nein, natürlich nicht.»

In Italien, wo viele Menschen mit chinesischen Wurzeln seit Jahrzehnten zu Hause sind, häufen sich die Vorfälle. Rund 300.000 Chinesen zählen die Statistiker, dazu kommen 5,3 Millionen Übernachtungen von Chinesen in dem Mittelmeerland. Vergangene Woche hing vor einer Bar am Trevi-Brunnen in der Hauptstadt Rom ein Schild, das Chinesen den Eintritt verbot.

Die Zeitung «Il Messaggero» berichtete, dass einige Mitarbeiter der Müllabfuhr in dem römischen Viertel, in dem besonders viele Chinesen wohnen, nicht mehr sauber machen wollten - aus Angst vor Ansteckung. In Rom war Ende Januar bei einem Urlauberpaar aus China das Virus festgestellt worden.

Im norditalienischen Turin ging die Bürgermeisterin Chiara Appendino demonstrativ chinesisch essen, wie Medien schrieben. Sie warnte vor «Rassismus». Zuvor hatte es einen Vorfall in einem Bus gegeben. Mitreisende sollen eine junge Chinesin, die kein Italienisch sprach, als «unerwünschte Person» angegangen sein.

In Mailand, wo ein Viertel wegen Asia-Läden, Restaurants und asiatischen Bewohnern als «Chinatown» gilt, mussten die Eltern an Schulen extra beruhigt werden. Wie die Nachrichtenagentur Ansa schrieb, haben rund 160 von 800 Kindern dort chinesische Wurzeln. Und die Leitung versicherte, dass es keinen Grund zur Besorgnis gäbe. Unterdessen haben vier norditalienische Regionen in einem Brief an das Gesundheitsministerium in Rom gebeten, dass alle aus China zurückkehrenden Kinder zwei Wochen nicht zur Schule gehen sollen.

In Köln hofft Yen Souw Tain unterdessen, dass die Seuche bald abklingen wird. Damit niemand mehr krank wird, damit niemand mehr stirbt. Und auch, damit asiatisch aussehende Menschen nicht mehr gemieden werden. Seine Mutter, erzählt er, sass am Montag in Köln in einer vollen Strassenbahn - aber der Platz neben ihr blieb frei. Sie versuchte, es mit Humor zu nehmen: «Ich hatte jetzt endlich mal viel Platz.»

So geht es auch Menschen in Berlin. In einer vollen Bahn im Berufsverkehr blieb am Montagmorgen ein einziger Platz frei - der neben einem asiatisch aussehenden Mann. Auch einige Taxifahrer erzählen ihren Fahrgästen, dass sie keine Asiaten mehr mitnehmen wollen.

Unter dem Hashtag #JeNeSuisPasUnVirus (auf Deutsch: Ich bin kein Virus) berichten Menschen asiatischer Herkunft seit einigen Tagen von ihren Erfahrungen mit Rassismus im Alltag seit dem Aufkommen des Virus. Von Leuten, die im Restaurant nicht erwünscht waren, ist dort zum Beispiel die Rede.

«Ich habe zu China ganz, ganz wenig Bezug», sagt Tain aus Köln. «Wenn man mich nach China schicken würde, wäre ich aufgeschmissen. Weil ich mich als Deutscher fühle und genauso denke. Und deshalb finde ich es traurig, dass jemand, der hier seine Heimat hat, trotzdem ausgegrenzt wird.»

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