Coronavirus: Italiens Strategie erneut in der Kritik
Das Wichtigste in Kürze
- In Italien starben bisher über 100'000 Menschen im Zusammenhang mit dem Coronavirus.
- Die Corona-Neuinfektionen sind seit rund zwei Wochen wieder klar am Steigen.
- Der Wissenschaftliche Rat pocht offenbar darauf, das Ampelsystem abzuschaffen.
Mit einer Videobotschaft wandte sich Italiens Regierungschef Mario Draghi am Montagabend an die Bevölkerung: «Wir stehen alle in diesen Tagen vor einer neuen Verschlechterung beim Gesundheitsnotstand.»
Kurz danach wurde bekannt, dass Italien in der Pandemie eine traurige Rekordmarke erreicht hat: Im Nachbarland der Schweiz sind seit Pandemie-Beginn über 100'000 Menschen im Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorben.
«Wir hätten nie gedacht, dass wir ein Jahr später einem ähnlichen Notfall gegenüberstehen würden», sagte Draghi. Doch die Corona-Lage in Italien verschlechtert sich weiter. Seit rund zwei Wochen sind die täglichen Neuinfektionen mit dem Coronavirus wieder klar am Steigen. Vergangene Woche lagen diese mehrmals bei über 20'000.
Coronavirus: Hohe 7-Tage-Inzidenz in Italien
Nach dem Stand vom Montagabend liegt die 7-Tage-Inzidenz in dem Land bei 238 Fällen pro 100'000 Einwohner. Das ist sogar höher als jene von Frankreich (222). Die Schweiz kommt derzeit auf eine 7-Tage-Inzidenz von 87,4 Infektionen pro 100'000 Einwohner. Zudem wurde in einem italienischen Dorf auch noch eine seltene Variante des Coronavirus entdeckt.
Erst gestern Montag hat Italien in einigen Regionen die Beschränkungen verschärft. Mit Kampanien gelten nun bereits drei Regionen als rote Zonen mit den schärfsten Massnahmen. Das bedeutet, dass dort viele Schulen geschlossen bleiben und Restaurants nicht mehr für Gäste öffnen dürfen.
Zudem sind bereits viele Regionen als orange Zonen eingestuft, seit Montag auch Venetien. In ganz Italien gilt ausserdem weiter eine nächtliche Ausgangssperre ab 22 Uhr. Die Regionalgrenzen dürfen nur in Ausnahmefällen überschritten werden.
Kritik am regionalen Ampelsystem
Wie italienische Medien berichten, steigt der Druck des Wissenschaftlichen Rates auf die neue Regierung. Offenbar fordert dieser die Abschaffung des regionalen Ampelsystems und wünscht sich einheitliche Massnahmen für das ganze Land.
Das Ampelsystem sehen auch andere kritisch, so etwa Patrizia Laurenti, Professorin für Hygiene und Infektionskrankheiten an der Universität Cattolica: «Diese Unterscheidungen zwischen den einzelnen Regionen lässt sich meiner Ansicht nach nicht mehr rechtfertigen.»
Es habe sich gezeigt, dass in den sogenannten gelben Zonen Fehler gemacht wurden. Dort sei gelebt worden, als gebe es ein Übermass an Freiheit. In den «gelben» Regionen dürfen unter anderem Restaurants und Bars tagsüber öffnen.
Kommt es zu einem landesweiten Lockdown?
Die aktuelle Situation erfordere gemäss Laurenti eine Massnahmen-Verschärfung mit mehr Einschränkungen. «Die Daten sprechen eine deutliche Sprache, der Trend erscheint eindeutig.» Laut der «Republicca» arbeite der Wissenschaftliche Rat an einem Vorschlag, der einen dreiwöchigen Lockdown für das ganze Land vorsieht.
Regierungschef Draghi setzt in der Zwischenzeit auf eine Beschleunigung der Impfkampagne: Wenn diese wie geplant beschleunigt werden könne, gebe es Anlass, auf Besserung zu vertrauen. Wie dies geschehen soll, liess Draghi bisher offen.
Heute Dienstag wurde aber bekannt, dass in Italien die erste Sputnik-V-Produktionsstätte entstehen soll. Ab Juni könne das russische Vakzin gegen das Coronavirus dort produziert werden. Zudem hat Draghi mittlerweile alle Verantwortlichen der bisherigen Corona-Politik Italiens ausgewechselt.