Coronavirus: Könnten Geimpfte von diesen Privilegien profitieren?
Das Wichtigste in Kürze
- Der deutsche Aussenminister fordert mehr Freiheiten für Corona-Geimpfte.
- Griechenland fordert ein EU-Corona-Impfzertifikat für Reisende.
- Diese und ähnliche Forderungen sind aber derzeit umstritten.
In vielen Ländern sind die Corona-Impfkampagnen bereits gestartet. Auch in der Schweiz werden seit Dezember Menschen gegen das Coronavirus geimpft. Die Impfstrategie sieht dabei in den meisten Ländern gleich aus: Zuerst werden ältere Menschen, Risikopatienten und Mitarbeiter des Gesundheitswesens geimpft.
Doch von genügend Impfstoffen für die breite Bevölkerung sind die Staaten noch weit entfernt. Dennoch beginnen erste Debatten über allfällige Privilegien für Geimpfte.
Maas: Besuche von Restaurants oder Kinos für Geimpfte erlauben
So fordert Deutschlands Aussenminister, Heiko Maas, Geimpften den Besuch von Restaurants, Museen, Theater oder Kinos zu erlauben. «Ein Geimpfter nimmt niemandem mehr ein Beatmungsgerät weg», lautet dabei seine Begründung in der «Bild». Damit entfalle ein zentraler Grund für Einschränkungen der Grundrechte.
«Die haben ein Recht darauf, ihre Betriebe irgendwann wieder zu öffnen, wenn es dafür eine Möglichkeit gibt. Und die gibt es, wenn immer mehr Menschen geimpft sind. Denn wenn erst mal nur Geimpfte im Restaurant oder Kino sind, können die sich nicht mehr gegenseitig gefährden.» Für den Zeitpunkt seines Vorstosses erntete Maas breite Kritik.
Denn in Deutschland wurden bisher nur eine Million Menschen (Pflegeheimbewohner und Ältere über 80) mit der ersten Dosis geimpft. Bundesinnenminister Horst Seehofer warnte etwa vor einer drohenden Spaltung der Gesellschaft.
«Solange es dafür einen sachlichen Grund gibt, ist das verfassungsrechtlich vertretbar», sagt Maas dazu. Auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke kritisiert Maas: «Solange ich nicht jeden impfen kann, der geimpft werden will, sind solche Debatten überflüssig.»
Coronavirus: Griechenland fordert EU-Impfzertifikat für freies Reisen
Doch Privilegien für gegen das Coronavirus geimpfte Menschen sind nicht nur in Deutschland ein heisses Thema. Letzte Woche hatte Griechenland von der Europäischen Union die Einführung eines einheitlichen Impfzertifikats gefordert. «Personen, die geimpft wurden, sollten frei reisen können.» Das schrieb der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis der EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen in einem von seinem Büro veröffentlichten Brief.
Diese Forderung zeigt, dass auf die Staaten schwierige Diskussionen und Entscheidungen warten. Denn ein Chaos wie im letzten Frühling mit den unterschiedlichen Einreisebestimmungen der einzelnen Länder soll verhindert werden. Doch Privilegien für Geimpfte könnten wie ein Impfzwang durch die Hintertür wirken. Und das wollen die Politiker unbedingt verhindern.
Mit der australischen Qantas hatte bereits im November eine erste Fluggesellschaft angekündigt, eine Impfpflicht gegen das Coronavirus einzuführen. Bei der Swiss und der Lufthansa hiess es bisher, dass auf eine Impfpflicht verzichtet werde. Solange nur wenige Menschen gegen das Coronavirus geimpft sind, dürfte sich das auch nicht ändern.
Ungleichbehandlung in der Schweiz grundsätzlich möglich
«Grundsätzlich ist es nicht ausgeschlossen, geimpfte und nicht geimpfte Personen rechtlich anders zu behandeln.» Das Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) präzisiert, im Verhältnis zwischen zwei privaten Personen gelte das Prinzip der Privatautonomie.
«Solange nichts anders geregelt ist, hat jede und jeder die Freiheit zu entscheiden, mit wem man einen Vertrag abschliessen will. Konkret bräuchte es also eine gesetzliche Regelung, um die Ungleichbehandlung vollständig auszuschliessen.»
Im Fokus dieser Diskussion stehe der Persönlichkeits- und Datenschutz. «Es geht hier um Gesundheitsdaten, die besonders geschützt sind. Diese dürfen nicht ohne Weiteres herausverlangt werden», so Ingrid Ryser vom EJPD.
Privilegien erlauben oder ausschliessen: Justiz bereitet beide Szenarien vor
Das Thema werde in der Bundesverwaltung intensiv diskutiert. Inzwischen liefen auch Gespräche mit dem Eidgenössichen Datenschützer.
«Geprüft werden mögliche Regelungen, um die Ungleichbehandlung auszuschliessen. Aber auch Regelungen, um die Ungleichbehandlung explizit zuzulassen», stellt Ryser klar. Mögliche Optionen werden dem Bundesrat nächstens unterbreitet.
Im Bereich von staatlichen Aufgaben wäre demgegenüber zwingend eine gesetzliche Regelung notwendig. Ohne dürften geimpfte und nicht geimpfte Personen nicht unterschiedlich behandelt werden etwa bei der Inanspruchnahme einer staatlichen Leistung.
Übertragung auf nichtgeimpfte Personen möglich?
Bei der Diskussion um Privilegien spielt aktuell auch ein anderer Punkt eine zentrale Rolle: Noch ist nicht restlos geklärt, inwiefern eine Impfung auch vor einer Übertragung auf andere, nichtgeimpfte Personen schützt. Solange dies nicht geklärt ist, stellt sich die Frage nach Privilegien für Geimpfte für Gesundheitsministerien wie das BAG gar nicht.
Auch das EJPD schreibt dazu: «Ob die Impfung verhindern kann, dass Geimpfte das Coronavirus weitergeben können oder nicht, ändert auch die rechtliche Beurteilung.»
Mit ebendieser Begründung reagierte auch das deutsche Gesundheitsministerium auf den Vorschlag von Maas: «Solange nicht klar ist, ob ein Geimpfter das Virus übertragen kann, kann es keine Ausnahmen geben.»