Coronavirus-Krise: Wut in Italien wegen ausbleibender Hilfe wächst
Mit fast 17'700 Toten und 140'000 Infizierten kämpft Italien weiterhin gegen die Corona-Krise an. Die wütende Stimmung im Volk wird dabei immer stärker.
Das Wichtigste in Kürze
- Italien hat in der Corona-Pandemie rund 17'700 Todesopfer und 140'000 Infizierte.
- Auf Hilfe aus Deutschland und dem Rest Europas musste das verschuldete Land lange warten.
- In der Bevölkerung wächst die Enttäuschung und Wut über die unterlassene Unterstützung.
An Fenstern und Balkonen in Roms hängen zurzeit immer mehr grün-weiss-rote Italien-Fahnen. Gleichzeitig holen mehrere Bürgermeister, etwa in Grosseto in der Toskana und im Ski-Ort Limone Piemonte am Alpenrand, symbolträchtig die blauen EU-Flaggen an ihren Rathäusern ein.
Die Wut, Enttäuschung und das Unverständnis in Italien sind gross. Hilferufe an die EU-Partner fanden zu Beginn der Krise nicht die erhoffte Reaktion. Besonders negativ ist in Erinnerung, dass Deutschland und Frankreich Anfang März zeitweise Exportstopps für Material wie Atemschutzmasken, Schutzanzüge und -brillen verhängten.
Auch als Rom mehr Beatmungsgeräte und Ärzte suchte, schickten vor allem China, Russland und Kuba Flugzeuge mit Geräten und Personal. Deutschland und andere europäische Länder zogen erst viel später nach.
Zudem kann Berlin Hunderte Milliarden Euro für die eigenen Bürger zur Verfügung stellen. Die Vergemeinschaftung von Schulden über «Corona-Bonds» zur Linderung der italienischen Probleme wird aber verhindert.
Salvini: «Zwei Finger in die Augen gedrückt»
Währenddessen beklatscht Rechtsaussenpolitiker und Ex-Innenminister Matteo Salvini in den sozialen Medien die Reaktionen seines Volkes. Europa habe dem hoch verschuldeten Land Italien in den ersten Wochen der Krise die kalte Schulter gezeigt. Deutschland sei dabei der Bestimmer.
Buongiorno Amici.
— Matteo Salvini (@matteosalvinimi) March 30, 2020
Ci hanno riempito per 20 anni della parola Europa, poi nel momento del bisogno ci arriva l'aiuto dal Venezuela o dall'Albania, mentre dall’”Unione” due dita negli occhi.
Non lo scorderemo.
🔴 LINK 👉 https://t.co/H7zOMQ4KvK pic.twitter.com/72iVP3k7Do
«Seit 20 Jahren hat man uns mit europäischen Parolen vollgestopft», erklärt der Lega-Chef auf Twitter. Aber wenn Italien Hilfe brauche, komme sie aus Venezuela oder Albanien. «Von Deutschland bekommen wir nichts – ausser zwei Finger in die Augen gedrückt.»
Die Zeitung «Il Giornale» empört sich wiederum: «Die behandeln uns wie Pestkranke.» Deutschland sei dabei, Italien zu «ersticken».
Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte wiederum versucht einen beschwichtigenden Ton einzunehmen. Er warnt in der Corona-Krise vor einem Auseinanderbrechen der Europäischen Union. «Deutschland hat keine Vorteile, wenn Europa in der Rezession versinkt. Unsere Volkswirtschaften sind auf eine schwere Probe gestellt», sagte er gegenüber «Bild live».
Man dürfe am Ende nicht dastehen und sagen, die Operation sei gelungen aber der Patient Europa tot. Deutschland und Italien müssten sich gegenseitig helfen und «in die Schlacht ziehen».
Der Druck auf Deutschland wächst
Deutschland hat zurzeit zwar die Niederlande, Finnland und Österreich auf seiner Seite. Der Druck auf Kanzlerin Angela Merkel aus dem Süden Europas wächst aber. Italien wird von Spanien, Frankreich und anderen unterstützt.
Alle Annäherungsversuche der Lager in Videokonferenzen der Staats- und Regierungschefs sind bisher gescheitert. Um Ostern soll ein weiterer Versuch stattfinden.