Coronavirus zwingt Betriebe zum Experiment Homeoffice

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Deutschland,

Bislang ziehen die meisten Beschäftigten das Büro als Arbeitsort dem Homeoffice vor. In der Coronavirus-Krise müssen aber viele Arbeitnehmer provisorisch nach Hause ausweichen.

Homeoffice: Für viele Betriebe und Arbeitnehmer ein Zwangsexperiment mit offenem Ausgang. Foto: picture alliance / dpa
Homeoffice: Für viele Betriebe und Arbeitnehmer ein Zwangsexperiment mit offenem Ausgang. Foto: picture alliance / dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Kein Weg zur Arbeit mit langen Staus oder überfüllten Zügen.

Und Sofa oder Gartenstuhl statt Grossraumbüro. Für viele Arbeitnehmer, die Angst vor einer Coronavirus-Infektion haben, erscheint das Homeoffice, eher wie eine Belohnung als eine Strafversetzung.

Die Digitalbranche hofft nun, dass in der Krise hartnäckige Vorurteile gegen das mobile Arbeiten durch die Erfahrungen in der Krise überwunden werden.

«Corona ist Chance wie Aufforderung, Wirtschaft, Verwaltung und Gesundheitswesen noch entschiedener und schneller zu digitalisieren», sagt der Präsident des Digitalverbandes Bitkom, Achim Berg. So sollten Technologien für Webkonferenzen eingeführt und Homeoffice zum Standard werden. Vor dem Ausbruch der Sars-CoV-2-Pandemie standen allerdings nicht nur viele Verantwortliche in Betrieben oder Organisationen dem Homeoffice skeptisch gegenüber, sondern auch etliche Beschäftigte.

Der Bitkom selbst fand Ende des vergangenen Jahres heraus, dass zwar vier von zehn Festangestellten (41 Prozent) im Homeoffice arbeiten dürften, die meisten dies aber dankend ablehnen. «62 Prozent der Festangestellten mit Homeoffice-Erlaubnis machen davon keinen Gebrauch, während 38 Prozent lieber in den eigenen vier Wänden arbeiten.» Die Homeoffice-Skeptiker wünschen sich den sozialen Kontakt, manche von ihnen befürchten auch einen Karriereknick, wenn sie nicht ständig im Büro präsent sind. Nach einer aktuellen Studie des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) lehnt auch knapp die Hälfte der Beschäftigten eine Vermischung von Arbeitszeit und Freizeit ab, was im Homeoffice deutlich schwerer durchzuhalten ist als im Büro.

Die aktuelle Krisensituation wischt viele dieser Bedenken nun vom Tisch - mit der Einschränkung, dass in Deutschland nur ein kleiner Bruchteil der Beschäftigten überhaupt zu Hause oder mobil arbeiten kann. In der Produktion haben einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zufolge nur zwei Prozent der Arbeitnehmer, die nicht zu den Führungskräften gehören, Zugang zu einem Homeoffice. Im Bereich «Service, Verwaltung, Dienstleistungen» liegt der Anteil bei 14 Prozent. Bei Mitarbeitern aus dem Vertrieb und den Marketing-Abteilungen sind es immerhin 21 Prozent. Bei den Führungskräften liegen die Zahlen der IAB-Studie mehr als doppelt so hoch.

«Manche Firmen aus dem Produktionsbereich haben schon deshalb ihren Verwaltungsmitarbeitern keine Homeoffice-Option angeboten, um Neidgefühle von den Arbeitern in der Produktion zu vermeiden», erläutert Arbeitswelt-Experte Oliver Stettes vom IW. Die aktuelle Auslagerung der Arbeit auf Heimarbeitsplätze im grossen Stil sei aber vor allem ein Zwangstest für eine neue Arbeitskultur. Können Arbeitsziele auch ohne ständige Kommunikation im Büro erreicht werden? Müssen die Beschäftigten im Homeoffice zur selben Zeit präsent sein wie sonst auch? Oder dürfen sie ihr Arbeitspensum leisten, wann immer sie wollen?

Der aktuelle zeitliche Umfang der Telearbeit ist im Vergleich zu den Nichtkrisenzeiten ohnehin ein entscheidender Unterschied. Der IAB-Studie zufolge waren ganze Homeoffice-Tage bislang nur vergleichsweise selten, denn knapp zwei Drittel derjenigen, die ein Homeoffice nutzten, arbeiteten nur stundenweise von zu Hause aus.

In dem bislang üblichen Szenario mussten sich die Arbeitgeber meistens auch keine grossen Gedanken um die Arbeitsstättenverordnung machen, die bei festen Telearbeitsplätzen in der Wohnung der Mitarbeiter eng definierte Grenzen setzt. In der Verordnung ist unter anderem festgelegt, dass Arbeitgeber und Beschäftigte die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt haben, sagte Ufuk Altun vom Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa).

Deshalb sprechen die Arbeitgeber lieber vom «mobilen Arbeiten», für das es bislang quasi keinen gesetzlichen Rahmen gibt. Bislang verstand man darunter eher Arbeitseinsätze auf einer Dienstreise oder das Checken der E-Mail am Feierabend. Immerhin müssen die Arbeitgeber die Vorgaben für Bildschirmarbeitsplätze beachten. Und Regelungen wie das Arbeitszeitgesetz gelten auch ausserhalb des Büros.

Um die Weiterarbeit in Krisenzeiten möglich zu machen, schenken aber viele Betriebe derzeit den regulatorischen Rahmenbedingungen weniger Aufmerksamkeit, sondern kümmern sich vor allem um die technischen Fragen. Haben wir genügend Laptops, die wir an die Mitarbeiter ausgeben können? Können die Beschäftigten ihre privaten Rechner einsetzen? Und ist der Betrieb überhaupt mit einer vernünftigen Internet-Leitung angeschlossen, um Telearbeit in grossen Stil zu ermöglichen? Das sind die ganz praktischen Fragen, mit denen sich IT-Verantwortliche in diesen Tagen beschäftigen.

Gerade der Einsatz von Privat-Rechnern ist in vielen Firmen tabu, denn die Unternehmen wollen sich nicht neben dem Coronavirus auch noch mit Computerviren herumschlagen. Mahnendes Beispiel ist das Kammergericht Berlin. Dort wurde das Computernetzwerk bereits im vergangenen Herbst vom Schadprogramm Emotet befallen. An dem Gericht steht auch eine schlecht abgesicherte Heimarbeit der Richter als Infektionsursache im Verdacht.

Sorgen machen sich manche Verantwortliche auch, ob die Internet-Kapazitäten überhaupt ausreichen, wenn Telearbeiter nun ständig mit Videokonferenzen und anderen Tools grosse Datenströme verursachen. Tatsächlich verzeichnen die Internet-Provider derzeit immer höhere Datenmengen. Das ist aber weniger dem Arbeiten von zu Hause aus geschuldet, als dem Trend zu Videostreaming mit Diensten wie Netflix oder Amazon Prime. Der jüngste Rekord am Datenknotenpunkt DE-CIX in Frankfurt wurde aber vermutlich durch ein Computerspiel ausgelöst. Am Abend des 10. März wurde das PC-Spiel «Call of Duty Warzone» veröffentlicht, für das Spieler die gewaltige Datenmenge von bis zu 101 Gigabyte herunterladen mussten.

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