Darum eskalieren Männergruppen am Ballermann mehr denn je
Nach der Gruppenvergewaltigung auf Mallorca warnt eine Schweizer Wirtin Frauen vor «durchdrehenden» Ballermann-Männergruppen. Was steckt dahinter?
Das Wichtigste in Kürze
- Letzte Woche wurde eine Frau mutmasslich Opfer einer Gruppenvergewaltigung auf Mallorca.
- Daraufhin warnte eine Schweizer Wirtin, die Männergruppen vor Ort würden durchdrehen.
- Ein Kriminologe erklärt, warum junge Männer auf Mallorca derart ausser Kontrolle geraten.
«So etwas habe ich noch nie erlebt. Das kann man sich gar nicht vorstellen», sagt die Schweizer Wirtin Beatrice Ciccardini.
Die Rede ist von randalierenden Männergruppen auf Mallorca. Letzte Woche sollen dort fünf Deutsche eine 18-jährige Touristin vergewaltigt haben.
Für Ciccardini der traurige Höhepunkt einer Saison, die sie gegenüber «Focus» als «extrem, wie nie zuvor» bezeichnet. «Die Männergruppen drehen völlig durch. Die schreien Tag und Nacht wie auf Drogen, kotzen und pinkeln überall hin.»
Grenzüberschreitungen seien Alltag. Sie warnt: «Ich kann nicht hundertprozentig sagen, ob der Ballermann für Frauen noch sicher ist.»
«Empathie für Opfer geht verloren»
Was passiert gerade auf Mallorca – warum ufern Partynächte in Gewaltexzesse aus, wie sie den fünf Deutschen vorgeworfen werden? Kriminologe Dirk Baier ordnet bei Nau.ch ein.
Er sagt: «Auf Basis von Kriminalstatistiken kann man sagen, dass Gewalttaten und Belästigungen überproportional häufig von jungen Männern begangen werden.»
Gruppen können laut Baier zusätzliche Auslöser für solches Verhalten sein, weil man mitgerissen werde. «Wenn dann noch Alkohol- und Drogenkonsum in der Gruppe stattfindet, fallen tatsächlich schnell die Grenzen und Übergriffe sind die Folge.»
Denn: «Alkohol und Kokain enthemmen und machen aggressiv, sodass jegliche Empathie für das Opfer verloren geht.»
Schweizer gehen mit «Frauen aufreissen»-Vorsatz nach Malle
Zentral ist aus der Sicht des Experten: «Die Gruppen suchen Destinationen wie Mallorca bewusst mit dem Vorsatz auf, sich richtig ‹volllaufen zu lassen›, ‹durchzufeiern›, ‹Frauen aufzureissen›.» Das betreffe auch Schweizer.
Mit diesen expliziten Vorsätzen würden sie in der Schweiz nicht in den Ausgang gehen. «Weil sie wissen, dass Polizei und Sicherheitsdienste präsent sind.»
Am Ballermann hingegen gingen die Männer davon aus, dass auch Frauen mit ähnlichen Vorsätzen dort seien. «So kann man das eigene Verhalten Frauen gegenüber legitimieren.»
Junge nicht sich selbst überlassen
Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Gruppenvergewaltigung an einem Ferienort passiert, sei deshalb höher. Baier warnt: «Man kann aber nicht ausschliessen, dass so etwas auch in der Schweiz stattfinden könnte. Beispielsweise im Rahmen eines Festivals oder von Schulausflügen.»
Baier ist überzeugt: «Wichtig ist einfach, dass wir junge Menschen nicht zu stark sich selbst überlassen, dass Kontrollpersonen zugegen sind. So reduzieren wir das Risiko für schwere Übergriffe.»
Ob der Ballermann heute für Frauen weniger sicher sei als noch vor zehn Jahren, sei schwer zu sagen. «Ich kann mir vorstellen, dass die Anzahl Übergriffe in Spanien wie in der Schweiz zunimmt», so Baier. Das komme aber eher daher, dass Frauen, die Übergriffe erfahren, heute eher Anzeige erstatten.
Der Kriminologe glaubt: «Der Ballermann ist damit möglicherweise nicht wirklich unsicherer geworden. Übergriffe bleiben nur seltener im Verborgenen.»