Deutschland gespalten ab «historischer» Entschuldigung von Merkel
Angela Merkel kippt die kürzlich hart verhandelte «Osterruhe» heute schon wieder. Der historische Schritt löst in Deutschland heftige Reaktionen aus.
Das Wichtigste in Kürze
- Angela Merkel macht den kurz zuvor angekündigten Oster-Lockdown wieder rückgängig.
- Ihre historische Entschuldigung kommt gut an, bietet aber auch Angriffsfläche.
- Die Reaktionen fallen gemischt aus, sogar die eigene CDU ist gespalten.
Bis tief in die Nacht verhandelte Angela Merkel am Montag mit den Bundesländern über einen neuen Lockdown. Nach elf Stunden dann endlich ein Konsens: Keine Inland-Ferien, keine Ostermessen, Treffen nur bis fünf Personen. Mit dieser «Osterruhe» sollte der dritten Welle den Schwung genommen werden.
Merkel: «Darum bitte ich alle Bürger um Verzeihung»
Dann heute Mittag der Knall: Nach einem Last-Minute-Krisengipfel mit ihren Regierungschefs tritt die Bundeskanzlerin heute vor die Medien – und nimmt den Mini-Lockdown wieder zurück: «Die Idee eines Oster-Lockdowns war mit bester Absicht entworfen worden», eröffnete Merkel das kurze Statement. Dennoch sei die Idee «ein Fehler» gewesen.
Sie sei nicht vernünftig umsetzbar gewesen. «Viel zu viele Fragen können nicht in der Kürze der Zeit umgesetzt werden, wie es nötig wäre», so die Kanzlerin.
«Es ist einzig und allein mein Fehler.» Ein solcher müsse so benannt und korrigiert werden. «Darum bitte ich alle Bürger um Verzeihung.»
Merkels Entschuldigung spaltet Deutschland
Die Entschuldigung zeuge von Grösse, finden die einen. So soll Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gemäss «Bild»-Informationen unmittelbar nach der Ansprache der Kanzlerin seinen Respekt ausgesprochen haben.
Auch der sächsische Regierungschef Michael Kretschmer nahm die Kanzlerin in Schutz. Sie müsse die Verantwortung für den Schritt nicht allein übernehmen. Die Grünen stellten sich ebenfalls hinter Merkel.
Angriffslustiger zeigen sich die FDP und die Linke. Teile der Opposition fordern gar, dass Merkel die Konsequenzen zieht und die Vertrauensfrage im Bundestag stellt. FDP-Chef Christian Lindner schrieb auf Twitter: «Die Bundeskanzlerin kann sich der geschlossenen Unterstützung ihrer Koalition nicht mehr sicher sein. Die Vertrauensfrage im Deutschen Bundestag wäre ratsam, um die Handlungsfähigkeit der Regierung von Frau Merkel zu prüfen.»
Sein Gegenstück bei der Linken, Dietmar Bartsch, bläst ins gleiche Horn: «Wir haben inzwischen eine veritable Vertrauenskrise gegenüber der politischen Führung des Landes», sagte er zu den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Sogar CDU uneinig
Nicht ganz einig ist man sich bei Merkels eigener Partei, der CDU. Parteivorsitzender Armin Laschet stärkte der Kanzlerin den Rücken. Andere Exponenten, darunter Vizefraktionschefin Gitta Connemann, forderten, dass die regelmässigen Runden von Kanzlerin und Ministerpräsidenten abgeschafft werden. Stattdessen sollen die jeweiligen Parlamente entscheiden.
Sie sagte dem Portal «t-online»: «Ausserhalb von akuten Notfällen dürfen wir Grundsatzentscheidungen von solcher Tragweite nicht mehr allein 17 Personen überlassen.»
Presse nachsichtig
Die deutsche Presse ist gnädiger mit Angela Merkel. Man ist sich einig, dass die Entschuldigung der Kanzlerin «historisch» (Bild) sei.
Die «Süddeutsche» kommentiert kritisch: «Die Entschuldigung der Kanzlerin wird in die Geschichtsbücher eingehen. Sie zeigt ein Mass an Selbstreflexion, dass man sich von ihr früher gewünscht hätte».
Mehr Nachsehen hat die «Frankfurter Allgemeine Zeitung». Es sei «eine Entschuldigung, die entwaffnet.»
Auch «Focus» glaubt, dass Merkel «genau die richtigen Worte findet». Das Signal, dass sie sende, sei aber gefährlich. Denn auf dem Spiel stehe jetzt das Vertrauen der Deutschen.