Die Bundestagsfraktionen einigen sich auf einen Antrag zur Ächtung von Antisemitismus, doch Kritik bleibt.
Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Volker Beck, ist zufrieden mit dem Antrag. (Archivfoto)
Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Volker Beck, ist zufrieden mit dem Antrag. (Archivfoto) - Annette Riedl/dpa

Wie definiert man Antisemitismus? Und was sollte der Gesetzgeber dagegen tun? Monatelang haben Union, SPD, FDP und Grüne über einen gemeinsamen Antrag verhandelt. Ihr Ergebnis stösst teils auf Kritik.

Nach langen strittigen Verhandlungen hat sich die Ampel-Koalition mit der Unionsfraktion auf den Text für einen gemeinsamen Antrag zur Ächtung und Bekämpfung von Antisemitismus geeinigt. In einer kurzen Mitteilung der Fraktionen heisst es, der Antrag solle bereits in der kommenden Woche im Deutschen Bundestag eingebracht, beraten und abgestimmt werden. Er ist zwar nicht rechtsverbindlich, dürfte aber dennoch politische Wirkung entfalten.

In dem Entwurf wird beispielsweise dazu aufgerufen, «Gesetzeslücken zu schliessen und repressive Möglichkeiten konsequent auszuschöpfen», insbesondere im Strafrecht sowie im Aufenthalts-, Asyl- und Staatsangehörigkeitsrecht.

Die beteiligten Fraktionen halten in dem Antrag weiter fest: «In den vergangenen Monaten ist nicht zuletzt das erschreckende Ausmass eines Antisemitismus deutlich geworden, der auf Zuwanderung aus den Ländern Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens basiert...

Kritik an Antisemitismus von Links

...in denen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit, auch aufgrund islamistischer und antiisraelischer staatlicher Indoktrination, verbreitet sind.» Gleichzeitig seien antisemitische Verschwörungstheorien sowie völkisches Denken auf dem Vormarsch. Die Fraktionen von SPD, CDU/CSU, Grünen und FDP kritisieren in dem Antrag ausserdem einen «relativierenden Umgang und vermehrt israelbezogenen und links-antiimperialistischen Antisemitismus».

Die Bundesregierung solle sich weiterhin «aktiv für die Existenz und die legitimen Sicherheitsinteressen des Staates Israel» einsetzen, heisst es in dem Text weiter. Die Regierung soll sich zudem gegenüber Ländern...

Bundesregierung soll Israels Interessen vertreten

...und Kommunen dafür einsetzen, dass sie bei Entscheidungen, etwa über die Förderung bestimmter Projekte, die sogenannte IHRA-Antisemitismusdefinition als massgeblich heranziehen.

Die Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) in rechtlich verbindlichen Texten ist unter Wissenschaftlern allerdings umstritten.

Die IHRA hält darin unter anderem fest, dass sich Erscheinungsformen von Antisemitismus «auch gegen den Staat Israel...

Kontroverse um Definition von Antisemitismus

..., der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird», richten können. Kritik an Israel...

Eine Gruppe von Juristen hatte im vergangenen Jahr in einem Brief an Bundestagsabgeordnete davor gewarnt, die Verwendung dieser Definition in einem Entschliessungsantrag führe «auf verfassungs- wie völkerrechtlich höchst problematisches Terrain». Auch sei die Arbeitsdefinition nie dazu gedacht gewesen, rechtliche Bindungswirkung zu erlangen.

Hochzufrieden mit dem nun von den Fraktionen vorgelegten Antrag zum Schutz jüdischen Lebens zeigte sich der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Volker Beck. Er sagte: «Die klare und unbedingte Unterstützung für Israels Selbstverteidigung durch den Deutschen Bundestag trägt dazu bei...

Wissenschaftler plädieren für konkrete Massnahmen

...Irritationen zu korrigieren, die in den letzten Monaten aus Berlin gesendet wurden.» Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte im Oktober gesagt...

Scharfe Kritik an dem Antrag kam dagegen von einer Reihe von Organisationen sowie mehreren Hundert Aktivisten, Künstlern, Juristen und Wissenschaftlern. Sie stellten sich in einem offenen Brief hinter einen kürzlich veröffentlichten alternativen Formulierungsvorschlag...

Statt auf «unsichere Definitionen» zu setzen, sollten konkrete Massnahmen ergriffen werden – etwa in der Bildung oder eine Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes – heisst es in dem offenen Brief.

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