Deutschlands Aussenminister Heiko Maas in Auschwitz zu Besuch

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Polen,

Die Reise nach Auschwitz ist dem deutschen Aussenminister Heiko Maas besonders wichtig. Sie führt ihn zurück zum Beginn seiner politischen Karriere.

Deutschlands Aussenminister Heiko Maas besucht das ehemalige deutsche Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau (POL).
Deutschlands Aussenminister Heiko Maas besucht das ehemalige deutsche Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau (POL). - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Heiko Maas besucht als erster deutscher Aussenminister seit 26 Jahren das KZ Auschwitz.
  • Maas sei unter anderem wegen Auschwitz in die Politik gegangen.

Heiko Maas bleibt nach der Kranzniederlegung lange vor der Todeswand von Auschwitz (POL) stehen. Er verneigt sich einmal leicht. Dann beugt er sich noch einmal tiefer vor dem Kugelfang, an dem tausende Zivilisten, Widerstandskämpfer und KZ-Häftlinge per Genickschuss hingerichtet wurden. Danach geht er zurück zu Marian Turski, und legt dem 92-jährigen die Hand auf die Schulter. Turski nickt ihm zu, als wenn er sagen wollte: Gut gemacht.

Marian Turski hat Auschwitz fünf Monate lang überlebt. Er wurde als jüdischer Untergrundkämpfer aus dem Ghetto in Lodz (POL) im August 1944 in das grösste Vernichtungslager der Nazis gebracht. Da, wo die Züge ankamen, erzählt Turski dem deutschen Aussenminister, habe er sich bei der Selektion an den Gaskammern vorbeigestohlen, weil er nicht auf die Schilder zu den «Duschen» reingefallen sei. Als Widerstandskämpfer wusste er aus der britischen BBC, was ihn in Auschwitz-Birkenau erwarten würde. «Ich hatte wirklich Glück», sagt er.

«Hölle auf Erden»

Er zeigt Maas auch die einzige noch erhaltene Gaskammer im Stammlager Auschwitz, wo Tausende Schuhe von Kindern und Tonnen von Haaren ausgestellt sind, die den Häftlingen vor ihrer Ermordung genommen wurden. «Wenn ich hier in Auschwitz bin, dann begegne ich meinen Zweifeln an Gott, meinem Misstrauen gegenüber Menschen, meiner Verachtung vor Teilen der Geschichte», sagt Maas später. Ins Gedenkbuch schreibt er: «Die Hölle auf Erden - sie war eine deutsche Schöpfung.»

Maas hat in den ersten fünf Monaten seiner Amtszeit etliche wichtige Reisen absolviert, nach Washington, Moskau oder Paris. Diese ist aber diejenige, die ihm ganz persönlich vielleicht am wichtigsten ist.

Als Student in Auschwitz

Er war bisher nur einmal als Student in Auschwitz (POL) und wollte als Aussenminister eigentlich schon während seiner ersten Polen-Reise zurück dorthin. Der Grund dafür ist in seiner Antrittsrede als Aussenminister vom 14. März dokumentiert. «Ich bin nicht – bei allem Respekt – wegen Willy Brandt in die Politik gegangen. Ich bin auch nicht wegen der Friedensbewegung oder der ökologischen Frage in die Politik gegangen. Ich bin wegen Auschwitz in die Politik gegangen», sagte er damals vor einigen hundert Diplomaten im Weltsaal des Auswärtigen Amts.

Es sind bis heute die stärksten und wirkungsvollsten Sätze seiner Amtszeit geblieben. Vor allem in Israel machte Maas sich damit Freunde. «Das hat unsere Herzen erreicht», sagte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu beim Antrittsbesuch des deutschen Aussenministers in Jerusalem. Dort erzählte Maas bei einem Treffen mit Holocaust-Überlebenden auch die Geschichte, die hinter dem Satz steckt:

Weil es in der Schule keine Antworten auf seine Fragen zum Holocaust gab, habe er angefangen, sich mit seiner eigenen Familiengeschichte zu befassen. Er habe vergeblich nach Widerstandskämpfern unter seinen Vorfahren gesucht, aber nur Mitläufer gefunden. «Ab da habe ich angefangen, mir Gedanken darüber zu machen, was ich selber tun kann und welchen Beitrag ich selber heute liefern kann, dass es so etwas nie wieder gibt.»

Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit

Fortan widmete er einen grossen Teil seiner politischen Arbeit dem Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Als Justizminister entwarf er im vergangenen Jahr unter dem Titel «Aufstehen statt wegducken» eine Strategie gegen Rechts. Und auch der Amtswechsel hat nichts daran geändert, dass das Thema für ihn zentral bleibt.

Er ist nun der erste deutsche Aussenminister seit 26 Jahren, der Auschwitz (POL) besucht. «Wir brauchen diesen Ort, weil unsere Verantwortung endet nie», sagt er. «Hier muss man sich entscheiden: Entweder verliert man den Glauben an die Menschlichkeit, oder man gewinnt die Hoffnung oder die Kraft dafür einzutreten, dass die Menschenwürde gewahrt wird und tut etwas dafür.» Mehr Zivilcourage. Das ist die Botschaft für Gegenwart und Zukunft, die Maas hier in Auschwitz (POL) aus der Vergangenheit zieht.

Vielleicht ist diese Botschaft heute wichtiger denn je. Die Zahl antisemitischer Straftaten stieg im ersten Halbjahr um 11 Prozent auf 401. Der Angriff auf einen Kippa-Träger auf offener Strasse am helllichten Tag im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg sorgte vor wenigen Monaten für Aufsehen.

Debatte über Erinnerungskultur

Der wieder wachsende Antisemitismus wird begleitet von einer Debatte darüber, ob die Erinnerungskultur in Deutschland noch zeitgemäss ist. Der thüringische AfD-Fraktionschef Björn Höcke hatte im vergangenen Jahr die deutsche Erinnerungskultur als «dämliche Bewältigungspolitik» bezeichnet und eine «erinnerungspolitische Wende um 180 Grad» gefordert. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte vor wenigen Wochen, er schäme sich für solche Äusserungen.

Unter den Kultusministern der Länder gibt es nun eine Diskussion darüber, Besuche in KZ-Gedenkstätten zur Pflicht für Schüler zu machen, um die Erinnerung wach zu halten. Nur Bayern (D) verfährt bisher so. Menschen wie Marian Turski, die zum Beispiel davon berichten können, wie überlebenswichtig es in Auschwitz war, als Kurzsichtiger eine Brille zu besitzen, weil man sonst in die Gaskammer geschickt wurde, wird es jedenfalls bald nicht mehr geben. Die Gedenkstätten werden dann noch wichtiger sein.

Maas wird jedenfalls alles dafür tun, dass es keine Wende in der Erinnerungskultur gibt. Als er nach einer Diskussion mit deutschen Diplomatenanwärtern und polnischen Jugendlichen im Anschluss an seinen Gedenkstättenbesuch nach einem Schlusswort gefragt wird, sagt er: «Ich glaube, in Auschwitz gibt es keine Schlusswörter.»

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