Inflation

Droht eine dauerhaft höhere Inflation?

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Deutschland,

Verbraucher merken es vor allem bei den Heizkosten und an der Tankstelle: Die Energiepreise steigen stark. Und es gibt weitere Faktoren, die die Inflation in Deutschland anheizen.

Zu sehen sind Euro-Geldscheine mit unterschiedlichen Werten. Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa
Zu sehen sind Euro-Geldscheine mit unterschiedlichen Werten. Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Leben in Deutschland wird immer teurer.

Nach Daten des Statistischen Bundesamtes legten die Verbraucherpreise im September gegenüber dem Vorjahresmonat um 4,1 Prozent zu. Damit überschritt die Inflation erstmals seit Dezember 1993 wieder die Vier-Prozent-Marke.

Eine höhere Inflation schwächt die Kaufkraft von Verbrauchern, weil sie sich für einen Euro dann weniger kaufen können als zuvor. Auch für Sparer, die Geld beispielsweise auf mickrig verzinsten Tagesgeldkonten parken, sind steigende Inflationsraten bitter. Nach Berechnungen der Commerzbank-Tochter Comdirect verloren Spareinlagen in den ersten neun Monaten in Deutschland insgesamt rund 47 Milliarden Euro an Wert wegen niedrig verzinster Einlagen.

Die Teuerung wird derzeit von mehreren Faktoren angeheizt, allen voran von gestiegenen Energiepreisen. «Am offensichtlichsten ist der Teuerungseffekt im Energiesektor und somit bei Gas- und Strompreisen», erläutert Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der Fondsgesellschaft Union Investment. «In wenigen anderen Bereichen stehen Angebot und Nachfrage aktuell in einem ähnlich grossen Missverhältnis.» Die Weltkonjunktur erholt sich vergleichsweise schnell vom Corona-Schock 2020. Der Energiehunger rund um den Globus ist entsprechend gross. Die starke Nachfrage treibt die Rohöl- und Gaspreise in die Höhe. Zudem hat der kalte zurückliegende Winter Lagerbestände geleert, und in Deutschland sind seit Januar 25 Euro je Tonne Kohlendioxid fällig, das beim Verbrennen von Diesel, Benzin, Heizöl und Erdgas entsteht.

Die Rücknahme der befristeten Mehrwertsteuersenkung zu Jahresanfang schlägt inzwischen voll auf die Teuerung durch. Um den Konsum in der Corona-Krise anzukurbeln, hatte der Bund die Mehrwertsteuer befristet vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 gesenkt. Seit Januar 2021 gelten wieder die regulären Mehrwertsteuersätze, Waren und Dienstleistungen werden im Vorjahresvergleich also tendenziell wieder teurer.

Lieferengpässe bei Rohstoffen und Vorprodukten unter anderem wegen Staus an Häfen und fehlenden Containerkapazitäten machen sich zunehmend bemerkbar. Nach einer Umfrage des Ifo-Instituts unter Händlern müssen Kunden im Einzelhandel mit Engpässen und höheren Preisen rechnen. 74 Prozent der befragten Einzelhändler klagten im September über Lieferprobleme. «Manches Weihnachtsgeschenk wird vielleicht nicht lieferbar sein oder teuer werden», sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe.

Besonders tief in die Tasche greifen mussten Verbraucherinnen und Verbraucher für Energie. «Wesentlich dafür waren die Basiseffekte, da wir die aktuellen Preise mit den sehr niedrigen Preisen des Vorjahres vergleichen», erläuterten die Statistiker. Heizöl kostete 76,5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, Sprit 28,4 Prozent mehr. Erdgas (plus 5,7 Prozent) und Strom (plus 2,0) verteuerten sich ebenfalls. Überdurchschnittlich um 4,9 Prozent stiegen auch die Preise für Nahrungsmittel. Vor allem Gemüse (plus 9,2 Prozent) sowie Molkereiprodukte und Eier (plus 5,5 Prozent) wurden kräftig teurer. Für die Anschaffung von Fahrzeugen (plus 6,4 Prozent) sowie deren Wartung und Reparatur (plus 5,4 Prozent) mussten die Menschen deutlich mehr zahlen als im September 2020.

Sie fordern von der Politik eine Entlastung der Bürger bei den Energiepreisen. Wenn der Anstieg der Energie- und Benzinpreise ungebremst weitergehe, drohe eine «dramatische soziale Schieflage», warnte Klaus Müller, Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, jüngst im «Tagesspiegel». «Die Politik muss dringend die gegenwärtige Abhängigkeit von Energieimporten reduzieren, auf Energieeinsparungen setzen und Energiearmut verhindern», verlangt Müller. Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, fordert, der Staat müsse einen sozialen Ausgleich für Einkommensschwache schaffen. Aus Sicht von IG-BAU-Chef Michael Vassiliadis hat die Politik die Hebel zur Entlastung der Menschen selbst in der Hand. Mehr als die Hälfte des Strompreises etwa entfalle auf staatliche Abgaben und Umlagen.

Inflationsraten von zeitweise an die 5 Prozent in Europas grösster Volkswirtschaft gelten in diesem Jahr als möglich. Aus Sicht vieler Ökonomen handelt es sich dabei aber weiterhin um ein vorübergehendes Phänomen. «Mit dem Abebben der Corona-Pandemie im Frühjahr und dem Auslaufen von Sonderfaktoren wie der zwischenzeitlichen Senkung der Mehrwertsteuer in Deutschland dürfte die Inflation wieder sinken», argumentiert beispielsweise Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Anzeichen für eine gefährliche Aufwärtsspirale aus steigenden Löhnen und Preisen sehen Ökonomen zurzeit nicht. «Inflationstreibende Lohnabschlüsse von deutlich über 3 Prozent sind in Deutschland bislang nicht zu beobachten», konstatieren Volkswirte der BayernLB.

Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, weist in einem Gastbeitrag für das «Handelsblatt» darauf hin, dass die Inflation in D-Mark-Zeiten in den Jahren 1957 bis 1998 im Durchschnitt bei 3,1 Prozent gelegen habe. «Niemand in Deutschland schimpft heute über eine zu hohe Inflation in diesen Jahrzehnten, sondern viele schauen – manche mit Nostalgie – auf diese Jahre als wirtschaftlich hervorragende Zeit mit einer starken D-Mark und stabilen Preisen zurück.»

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