Emmanuel Macron wirft Türkei «kriegerisches Verhalten» vor
Der französische Präsident wählt einen arabischen Sender, um den Muslimen seine Verbundenheit zu versichern. Dabei wendet Macron sich ungewohnt kritisch gegen seinen türkischen Kollegen Erdogan.
Das Wichtigste in Kürze
- Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat der Türkei «kriegerisches Verhalten» gegenüber ihren Nato-Partnern im Nahen Osten und im Mittelmeerraum vorgeworfen.
«Ich stelle fest, dass die Türkei in der Region imperialistische Neigungen hat. Und ich denke, dass diese imperialistischen Neigungen keine gute Sache für die Region sind», sagte Macron dem arabischen Sender Al-Dschasira. Das Interview wurde am Samstag vom Élyséepalast veröffentlicht. Das Verhältnis zwischen Frankreich und der Türkei ist gespannt.
Macron verwies auf die Entwicklung in Syrien: Als sich der Krieg gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) einem siegreichen Ende zugeneigt habe, sei die Türkei einmarschiert, um Kurden zu bekämpfen. In Libyen halte sich Ankara nicht an die Abmachungen der Berliner Konferenz und habe mehrfach ein Embargo gebrochen. «Ich denke, dass allein diese beiden Beispiele zeigen, dass die Türkei heute ein kriegerisches Verhalten gegenüber den Nato-Verbündeten zeigt.»
Auch das Verhalten gegen Zypern und Griechenland im östlichen Mittelmeer sei «zutiefst aggressiv». Dort sucht die Türkei nach Erdgas. Zypern und Griechenland seien europäische Länder, sagte Macron. Frankreich unterstütze «die Souveränität Europas» und könne die Strategie des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nicht hinnehmen. Als Verbündeter müsse man Dinge offen aussprechen. Er wünsche sich, dass die Dinge sich beruhigten und die Türkei Frankreich und die europäischen Werte achte.
Erdogan ging bei zwei Auftritten am Sonntag nicht auf das Interview ein. Das Verhältnis der beiden Staatschefs ist seit Wochen belastet. Der türkische Präsident hat im Streit um Mohammed-Karikaturen zum Boykott französischer Waren aufgerufen. Anlass war Macrons Aussage, dass Meinungsfreiheit auch die Veröffentlichung von Karikaturen umfasse. Die Satirezeitschrift «Charlie Hebdo» hatte mit neuen Mohammed-Karikaturen Proteste in Teilen der muslimischen Welt ausgelöst.
Frankreichs Präsident sagte Al-Dschasira, er achte die Gefühle, die durch die Veröffentlichung geweckt worden seien. Er bekräftigte aber auch seine Haltung, wonach Zeichnungen von der Meinungsfreiheit geschützt seien. «In Frankreich ist die Presse frei.» Nach drei Terrorangriffen in den vergangenen Wochen mit mehreren Toten sagte Macron, Frankreich bekämpfe den Terrorismus, der im Namen des Islam begangen werde - nicht aber den Islam selbst.
Erst am Donnerstag hatte ein Angreifer in der südfranzösischen Metropole Nizza drei Menschen brutal ermordet. Bei dem Messerangriff in einer Kirche wurden der Küster und zwei Frauen tödlich verletzt. Für Frankreich ist es innerhalb von nur zwei Monaten der dritte Angriff mit einem mutmasslich islamistischen Hintergrund. Ende September wurden bei einem Messerangriff unweit der Pariser Büros von «Charlie Hebdo» zwei Menschen verletzt. Mitte Oktober wurde der Lehrer Samuel Paty von einem 18-jährigen Angreifer enthauptet.