Erneut Gewalt bei Protesten in Georgien
Das Wichtigste in Kürze
- Bei regierungskritischen Protesten in Georgien ist die Polizei auch in der Nacht zum Donnerstag wieder mit Gewalt gegen Demonstranten vorgegangen.
Die proeuropäischen Demonstranten umringten nach Augenzeugenberichten das Parlament der Südkaukasusrepublik in Tiflis.
Einige versuchten, in das Gebäude einzudringen. Die Polizei setzte wie schon am Abend zuvor Tränengas und Wasserwerfer ein, wie georgische Fernsehsender zeigten. Parlamentssprecher Schalva Papuaschwili rief Medienberichten zufolge die Demonstranten auf, friedlich zu bleiben. Laut der Zeitung «Georgia Today» gab es erneut mehrere Festnahmen.
«Vom Kreml inspiriert»
Entzündet hat sich der Protest an einem umstrittenen Gesetzentwurf: Ähnlich wie in Russland will die georgische Führung Medien und Nichtregierungsorganisationen, die Geld aus dem Ausland erhalten, als ausländische Agenten einstufen.
Laut dem Sprecher des US-Aussenministeriums, Ned Price, ist der «vom Kreml inspirierte» Gesetzentwurf «nicht mit dem klaren Wunsch der georgischen Bevölkerung nach europäischer Integration und demokratischer Entwicklung vereinbar.» Eine Durchsetzung der Pläne würde das Verhältnis Georgiens zu seinen strategischen Partnern schädigen und die «euro-atlantische Zukunft» des Landes infrage stellen, sagte Price gestern (Ortszeit) in Washington.
Bis zum frühen Mittwochabend hatten sich Beobachtern zufolge zwischen 10.000 und 15.000 Menschen friedlich am Parlament versammelt. Es seien mehr als am Dienstag gewesen, berichtete ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur. Bei den Protesten am Vortag hatte die Polizei der Südkaukasusrepublik nach offiziellen Angaben 66 Demonstranten festgenommen.
Demonstranten schwenken EU-Flagge
Auch gestern schwenkten die Demonstranten georgische und ukrainische Fahnen sowie die blaue Sternenflagge der EU. Aus Solidarität mit der von Russland angegriffenen Ukraine sangen die Georgier auch die ukrainische Hymne. Bei den späteren Strassenschlachten drängte die Polizei die verbliebenen Demonstranten ab, diese wiederum warfen mit Steinen und Flaschen.
Menschenrechtler von Freedom House zeigten sich alarmiert über die Gewalt in Tiflis. «Das Grundrecht auf friedliche Versammlungen muss gegen Molotowcocktails, Tränengas und Wasserwerfer geschützt werden», forderte die Nichtregierungsorganisation auf Twitter. Sie bat die georgische Regierung eindringlich, das umstrittene Gesetzesvorhaben noch einmal zu überdenken.
Die kleine Ex-Sowjetrepublik Georgien am Schwarzen Meer mit 3,7 Millionen Einwohnern steht seit langem unter Druck des grossen Nachbarn Russland. Moskau unterstützt auch die abgespaltenen Gebiete Südossetien und Abchasien.
Die derzeitige Führung von der Partei Georgischer Traum verfolgt einen eher russlandfreundlichen Kurs. In ihrer Mehrheit wollen die Georgier aber, dass ihr Land Mitglied in EU und Nato wird. Sie befürchten, dass diese Chance durch autoritäre Regeln wie in Moskau zunichte gemacht wird. Staatspräsidentin Salome Surabischwili hat sich hinter die Demonstranten gestellt und angekündigt, sie werde das umstrittene Agenten-Gesetz nicht unterzeichnen.