Erstmals Polizist wegen Gewalt gegen «Gelbwesten» vor Gericht
Gut ein Jahr nach Beginn der «Gelbwesten»-Proteste in Frankreich muss sich erstmals ein Polizist wegen Gewaltanwendung verantworten.

Das Wichtigste in Kürze
- Pariser Anklage fordert drei Monate Haft auf Bewährung für 44-Jährigen.
Dem 44-Jährigen wird vor einem Pariser Gericht vorgeworfen, bei der Kundgebung am 1. Mai einen Pflasterstein in Richtung von Demonstranten geworfen zu haben. Die Staatsanwaltschaft forderte drei Monate Haft auf Bewährung. Sie blieb damit deutlich unter der möglichen Höchststrafe von drei Jahren Gefängnis.
Die Staatsanwaltschaft erklärte, sie wolle «kein Exempel» an dem Polizisten statuieren. «Das ist nicht der Prozess der Polizei», hiess es. Der angeklagte Polizist sagte aus, er habe den Stein «aus Angst» geworfen und nicht aus Wut auf die Demonstranten.
Der Beamte gab an, er habe wenige Minuten zuvor gesehen, wie der Chef seiner Einheit durch einen Pflasterstein schwer im Gesicht verletzt worden sei, den ein Demonstrant geworfen habe. Er habe dann "aus einem Reflex heraus" den Stein zurückgeworfen, "um einen Sicherheitsabstand zu schaffen". Er fügte hinzu: Ich wollte niemanden verletzen."
Der Polizist nahm an der Anhörung mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze teil. Der Mann ist in Toulouse im Südwesten Frankreichs stationiert und war für die Maikundgebung nach Paris beordert worden.
Der Bereitschaftspolizist ist nach Angaben der Anklage auf Videoaufnahmen zu erkennen, die tausendfach in den Online-Netzwerken geteilt wurden. Darauf ist zu sehen, wie er in der Nähe des bekannten Pariser Krankenhauses Pitié-Salpêtrière den Stein wirft. Ob dabei Menschen verletzt werden, ist nicht zu erkennen.
«Der 1. Mai war ein Tag extremer Gewalt», sagte der Anwalt des Polizisten, Laurent Boguet. Die Sicherheitskräfte seien selbst Wurfgeschossen durch die Demonstranten ausgesetzt gewesen. Die Verteidigung verlangt deshalb einen Freispruch. Das Urteil wird am 19. Dezember erwartet.
Nach einer friedlichen Kundgebung der Gewerkschaften mit zehntausenden Teilnehmern war es am 1. Mai in Paris zu Ausschreitungen gekommen, die Polizei setzte Tränengas ein. Nach offiziellen Angaben des Innenministeriums wurden 24 Demonstranten und 14 Sicherheitskräfte leicht verletzt. Rund 7400 Sicherheitskräfte waren in Paris im Einsatz, die Polizei nahm rund 380 Menschen vorübergehend in Gewahrsam.
Es ist die erste interne Untersuchung der Polizei zu den «Gelbwesten»-Protesten, die in einen Prozess mündet. Französischen Medien zufolge wurden dagegen bereits mehr als 3000 «Gelbwesten» gerichtlich wegen Gewalt verurteilt.
Die «Gelbwesten» werfen der Polizei seit Beginn der landesweiten Proteste am 17. November 2018 massive Gewalt vor. Die Regierung hat den Sicherheitskräften den Einsatz von Gummimunition erlaubt, die in weiten Teilen der EU verboten ist. Nach unabhängigen Zählungen erlitten dadurch hunderte Menschen Kopfverletzungen, mehr als 20 verloren ein Auge.