Seit einem Anschlag in Kaschmir vor zwei Wochen gehen die beiden Atommächte Indien und Pakistan immer mehr auf Konfrontationskurs. Auf einen indischen Luftangriff folgt ein pakistanischer. Nun hat Pakistan einen indischen Kampfpiloten gefangen genommen.
Ein indischer Soldat bewacht die Trümmer des abgeschossenen Kampfflugzeugs im Bezirk Budgam im indischen Teil Kaschmirs. Foto: Mukhtar Khan/AP
Ein indischer Soldat bewacht die Trümmer des abgeschossenen Kampfflugzeugs im Bezirk Budgam im indischen Teil Kaschmirs. Foto: Mukhtar Khan/AP - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Der brisante Konflikt zwischen den verfeindeten Atommächten Indien und Pakistan hat sich weiter zugespitzt.
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Nachdem Indiens Luftwaffe in der Nacht zum Dienstag zum ersten Mal seit 1971 einen Angriff auf pakistanischem Gebiet geflogen hatte, schoss Pakistan nach eigenen Angaben am Mittwoch zwei indische Kampfflugzeuge ab. Ein indischer Pilot sei festgesetzt worden. Pakistans Armeesprecher Asif Ghafoor veröffentlichte auf Twitter ein Foto des sichtbar im Gesicht verletzten Oberstleutnants.

Indiens Aussenministerium bestellte nach eigenen Angaben den pakistanischen Botschafter ein und beschwerte sich über diese «vulgäre Darstellung» des Gefangenen, die gegen internationales Recht und die Genfer Konvention verstosse. Indien erwarte seine sofortige, sichere Rückkehr. Nach indischer Darstellung hatte der Angriff der pakistanischen Luftwaffe militärischen Installationen auf indischem Gebiet gegolten. Indien habe ihn abgewehrt und einen Jet aus Pakistan abgeschossen. Dabei habe Indien einen Abfangjäger verloren.

Bundesaussenminister Heiko Maas (SPD) rief beide Seiten zur Besonnenheit auf. «Wir hoffen, dass das nicht zu einer Eskalation führt», sagte er während seines Mali-Besuchs in Gao. Maas rief zudem Pakistan auf, konsequent gegen terroristische Organisationen vorzugehen. Die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini warnte, der Konflikt habe «das Potenzial, zu erheblichen und gefährlichen Folgen für beide Länder und die erweiterte Region zu führen».

Im Mittelpunkt des Jahrzehnte alten Konflikts zwischen den Nachbarländern Indien und Pakistan steht das Gebiet des früheren Fürstenstaates Jammu und Kaschmir. Nach dem Ende der britischen Herrschaft über den Subkontinent im Jahr 1947 und der Spaltung Britisch-Indiens in Indien und Pakistan blieb dessen Status zunächst offen. Sowohl Indien als auch Pakistan beanspruchten das Himalaya-Tal für sich. Sie führten 1947 und 1965 Kriege wegen des Gebiets, 1999 gab es erneut Gefechte.

Beide Länder beherrschen jeweils einen Teil des Tals Kaschmir. Die sogenannte Kontrolllinie gilt als De-facto-Grenze. Im indischen Teil - dessen Bevölkerung im Gegensatz zum Rest des mehrheitlich hinduistischen Landes überwiegend muslimisch ist - gibt es seit Ende der 1980er Jahre immer wieder Gewalt zwischen Separatisten und Sicherheitskräften. Indien wirft dem pakistanischen Militärgeheimdienst ISI vor, islamistische Terroristen im indischen Teil Kaschmirs zu unterstützen. Pakistan bestreitet dies.

Indiens Luftangriff am Dienstag traf nach Angaben des Aussenministeriums ein Ausbildungslager der islamistischen Terrorgruppe Jaish-e-Mohammed. Diese hatte einen Selbstmordanschlag mit einer Autobombe am 14. Februar im indischen Teil Kaschmirs für sich reklamiert, bei dem 40 indische Sicherheitskräfte getötet worden waren. Sie war ebenfalls an einem Angriff auf das indische Parlament im Dezember 2001 beteiligt gewesen, der fast einen Krieg auslöste.

Indien gab an, mit dem Luftangriff «eine sehr grosse Zahl» Angehöriger von Jaish-e-Mohammed getötet zu haben. Bewohner der betroffenen Gegend sagten auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, ihnen seien weder Todesopfer noch grössere Schäden durch die Bomben bekannt.

In einer Fernsehansprache bot der pakistanische Premierminister Imran Khan am Mittwoch Indien Gespräche an. «Mit den Waffen, die wir beide haben - können wir uns eine Fehlkalkulation leisten?», fragte er. Indiens Regierung um die hindu-nationalistische Partei BJP von Premierminister Narendra Modi steht allerdings unter Druck, Stärke zu zeigen, weil in wenigen Monaten eine Parlamentswahl ansteht.

In beiden Ländern stachelten manche Medien zum patriotischen Eifer an. Im pakistanischen Fernsehen erzählten Generäle im Ruhestand, die pakistanische Armee sei der indischen überlegen. Indische Medien berichteten unter Berufung auf anonyme Regierungsquellen, Indiens Luftangriff habe mehr als 300 Terroristen getötet.

Neben den jüngsten Luftangriffen gab es in den vergangenen Tagen auch immer wieder Schusswechsel über die Kontrolllinie hinweg. Zwischenzeitlich wurde der Luftraum in dem Gebiet am Mittwoch grossflächig gesperrt.

Zahlreiche Länder äusserten Besorgnis über die Situation. Viele von ihnen forderten Pakistan auf, konsequent gegen Terrorgruppen vorzugehen - darunter Deutschland und die USA.

Auch in Indien und Pakistan waren viele Menschen besorgt. Manche nahmen es mit Galgenhumor - etwa der indische Journalist Shivam Vij, der auf Twitter fragte: «Und was ist euer letzter Wunsch vor dem nuklearen Armageddon?»

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