Etliche Menschen leben nach Erdbeben in Türkei weiter in Zelten
Nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei leben nach wie vor extrem viele Menschen in Zelten.
Das Wichtigste in Kürze
- Viele Menschen leben nach Erdbeben in der Türkei immer noch in Zelten.
- Die Regierung stellte 650.000 Zelte und 50'000 Container auf.
- Einige Bewohner klagen über fehlende Sanitäranlagen und Schlangen im Zeltlager.
Elf Wochen nach den verheerenden Erdbeben in der Türkei harren etliche Menschen in der Region weiter in Zelten aus – wenn auch unter ganz unterschiedlichen Bedingungen. In der Gemeinde Pazarcik, Epizentrum des ersten Bebens der Stärke 7,7 am 6. Februar, klagen Menschen weiter über fehlende Sanitäranlagen.
«Wir sitzen hier fest, nichts und keiner von der Regierung kommt», sagt der Bäcker Erdal. Er lebt in einem Zelt, gesponsert von der UN, in einer Lücke zwischen verlassenen Häusern. Ein mit einer Decke verhangenes Holzgerüst im Freien dient als Toilette, die sich Erdal mit anderen teilt. Auf einen Container warte er bisher vergeblich, sagt er.
In der Gemeinde Pazarcik sind laut der staatliche Nachrichtenagentur Anadolu mehr als 1700 Gebäude eingestürzt oder stark beschädigt. Einem lokalen Mitarbeiter des Katastrophendienstes Afad zufolge wurden in Pazarcik allein 480 Menschen getötet. Laut Regierung wurden bisher mindestens 650'000 Zelte und 50'000 Container aufgestellt.
Wenige Autominuten entfernt von Erdals Unterbringung hat die sogenannte Stiftung der Bogenschützen strahlend-weisse Jurten aufgebaut. Am Eingang wehen Fahnen des Präsidialamtes, am Kopf der Stiftung steht unter anderem der Sohn von Präsident Recep Tayyip Erdogan, Bilal Erdogan.
Container aufgestellt
Viele der Rundzelte zieren buntbemalte Holztüren, im Innenraum liegt Teppich, auch hier ist das das Zelt stützende Holz mit verschnörkelten Malereien verziert. Kinder können auf einem Spielplatz spielen, Polizei und Katastrophendienst haben am Rande des Zeltdorfes kleine Container bezogen, gleich neben Dusch- und Klocontainern. Über eine Lautsprecheranlage wird zum Gebet gerufen.
Yeliz hat hier Zuflucht gefunden, gemeinsam mit ihrem Mann, Sohn und ihrem Wellensittich Cito. Der habe die Angewohnheit, immer kurz vor den Beben laut zu werden. In der Nacht vom 6. Februar habe das der Familie nichts gebracht.
In ihre zerstörte Wohnung kann sie nicht zurück, aber sie sei dankbar, mit dem Leben davon gekommen zu sein. An den Alltag hier im Zelt habe sie sich fast schon gewöhnt, erklärt die junge Frau.
In den Camps der Stiftung bringe die AKP ihre Getreuen unter, ist sich Erdal sicher. Sich an das Leben im Zelt gewöhnt zu haben, davon ist Erdal weit entfernt: Kürzlich erst habe er eine Schlange im Zelt gehabt.
«Wie würden sie sich fühlen, wenn sie mit Schlangen leben müssten?» Als ein junger Mann neben ihm erklärt, bei den kommenden Wahlen seine Stimme der regierenden AKP geben zu wollen, schaut Erdal ihn mit grossen Augen an, bis der ihn angrinst und sagt: «War nur Spass.»