Kampf gegen Klimawandel und Eurozonen-Reform
Die EU soll bis 2050 ihre Klimabilanz in den Griff bekommen. Beim ersten EU-Gipfel der neuen Spitzen Charles Michel und Ursula von der Leyen gelang ein historisches Bekenntnis. Doch nicht alle Länder stehen gleichermassen dahinter.
Das Wichtigste in Kürze
- Am Ende waren alle irgendwie zufrieden.
«Wir teilen das Ziel», sagte EU-Ratschef Charles Michel. Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte den Klimakompromiss des EU-Gipfels einen «grossen Fortschritt». Und Tschechiens Premierminister Andrej Babis sprach von einem «riesigen Erfolg».
Von diesem Gipfel sollte ein geschlossenes Signal ausgehen für eine klimaneutrale Welt: Europa als Vorreiter im Kampf gegen den Klimawandel. Jetzt gibt es dieses Signal - mit Einschränkungen. Auch bei der Erklärung zur Stärkung der Eurozone gelang eine für alle gesichtswahrende Lösung.
Der Gipfel war auch eine erste Bewährungsprobe für den neuen Ratschef Michel und die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Merkel zufolge haben sie dieses Probe gemeistert: «Da ist ein Team am Werk, das alles daran setzen wird, dass wir effizient arbeiten, dass wir mit guter Stimmung arbeiten», sagte sie nach dem Gipfel. Beide, Michel und von der Leyen, hatten ihre Ämter vor rund zwei Wochen angetreten und im Vorfeld lautstark für eine klimaneutrale EU im Jahr 2050 plädiert. Das bedeutet, dass dann der Ausstoss von Treibhausgasen vermieden oder durch Speicherung neutralisiert werden muss.
Ein Scheitern beim Gipfel wäre hingegen ein Fehlstart für die neuen EU-Spitzen gewesen. Bis tief in die Nacht verhandelten Merkel und ihre Kollegen über das Klimaziel. Nach stundenlangen Gesprächen gab es eine Lösung: ein verwinkelter Kompromiss und dennoch ein grosser Fortschritt: Im Mai hatten sich nicht mal zehn Staaten hinter eine französische Initiative für ein klimaneutrales Europa 2050 gestellt.
Klimaneutralität bis 2050, das gilt nun erst einmal streng genommen immer noch nicht für alle. Polen verpflichtet sich vorerst nicht auf die Umsetzung. Im Juni soll das wieder Thema beim Gipfel werden.
Widerstand gab es auch von Ungarn und Tschechien. Die drei Länder sind bei der Energiegewinnung stark von der Kohle abhängig. Deshalb forderten sie klare Zusagen für finanzielle Hilfen. Tschechien wollte zudem, dass Kernkraft als grüner Strom anerkannt wird. Hier gab es Widerstand von Österreich, Luxemburg und auch Deutschland. Im Gipfelbeschluss wird Kernenergie zumindest explizit erwähnt: Einige Staaten hätten darauf verwiesen, dass sie Atomkraft im Energiemix hätten. All das zeigt: Während in Madrid die Weltklimakonferenz läuft, wollten die EU-Staaten ihr Treffen nicht mit leeren Händen beenden.
Der Wille, beim Gipfel etwas vorzuweisen, zeigte sich auch bei der zuletzt recht verhakten Reform der Eurozone. Hier gab es einen Minimalkompromiss. Sowohl bei der Stärkung des europäischen Bankensystems als auch beim Ausbau des Euro-Rettungsschirms ESM sollen die Finanzminister die Detailarbeiten nun weiterführen.
Rücksicht genommen wurde dabei zum Beispiel auf italienische Befindlichkeiten. In Rom hatte es wegen innenpolitischer Querelen zuletzt Vorbehalte gegen die ESM-Reform gegeben. Die Gipfel-Erklärung wurde nun auf den letzten Metern noch abgeschwächt - anstatt sie bald abzuschliessen, sollten die Euro-Finanzminister sie lediglich fortführen. Der ESM kann bislang vor allem Milliardenkredite gegen Spar- und Reformauflagen an pleitebedrohte Staaten vergeben und soll künftig noch gestärkt werden.
Einen Dämpfer gab es auch für die Ambitionen bei der Vollendung der sogenannten Bankenunion. Dabei geht es vor allem um die Einführung eines gemeinsamen Sicherungssystems für Bankguthaben. Die Arbeiten sollen nun «einvernehmlich» fortgeführt werden, hiess es in der Abschlusserklärung. Eine einvernehmliche Lösung ist jedoch in weiter Ferne.
Ähnlich sieht es noch bei den Verhandlungen über den siebenjährigen europäischen Finanzrahmen aus. Die EU-Kommission hatte einen Haushaltsrahmen in Höhe von 1,11 Prozent der gemeinsamen Wirtschaftskraft vorgeschlagen. Deutschland, Österreich und die Niederlande wollen maximal 1,0 Prozent ausgeben. Ein finnischer Kompromissvorschlag von 1,07 Prozent fand kaum Unterstützung. Das EU-Parlament will ohnehin viel mehr Geld, nämlich 1,3 Prozent. Die Debatte ist auch deshalb schwierig, weil einerseits neue EU-Aufgaben finanziert werden sollen, andererseits aber nach dem geplanten EU-Austritt Grossbritanniens Milliarden Euro fehlen werden. Nun soll Ratschef Michel die Verhandlungen persönlich vorantreiben.