EU-Verhandlungen über Nordsee-Fangquoten stocken
Dürfen Fischer aus EU-Staaten bald nicht mehr in britischen Gewässern fischen? Weil es in den Brexit-Verhandlungen immer noch keine Entscheidung gibt, ist das völlig unklar. Die EU-Staaten verhandeln dennoch mit langem Atem über die Fangquoten für das kommende Jahr.
Das Wichtigste in Kürze
- Fischfangquoten, Nährwertlabel, Tierwohlkennzeichen - die EU-Agrarminister sind zu einem zweitägigen Ministerrat in Brüssel zusammengekommen.
Dabei haben sich die 27 Staaten für ein einheitliches Tierwohllabel auf Lebensmitteln ausgesprochen.
Die Verhandlungen über die Fischfangquoten für die Nordsee im kommenden Jahr wurden hingegen von den noch laufenden Brexit-Verhandlungen überschattet. «Einfach ist anders», sagte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner am Dienstagabend. Deshalb sei «besondere Flexibilität» gefragt.
Die CDU-Politikerin kündigte an, dass über Nacht weiterverhandelt und am Mittwochmorgen ein neuer Kompromiss vorgelegt werden solle. Dann werde sich zeigen, ob es zur Einigung komme oder weiterverhandelt werden müsse. Neben der Nordsee geht es etwa um den Atlantik, das Mittelmeer und das Schwarze Meer. Noch ist allerdings nicht absehbar, ob und in welchem Umfang Fischer aus EU-Staaten wie Deutschland oder Frankreich ab 2021 überhaupt Zugang zu britischen Hoheitsgewässern bekommen. Deshalb dürften die Quoten für die Nordsee nur vorläufig sein. Keine Auswirkungen haben die Brexit-Verhandlungen auf die Fangquoten für das Mittelmeer und das Schwarze Meer.
Weil Deutschland noch bis Ende des Jahres turnusgemäss den Vorsitz der EU-Staaten innehat, leitet Klöckner die Gespräche. Bereits am Dienstag verständigten sich die 27 EU-Staaten auf einen gemeinsamen Beschluss zum Thema Tierwohllabel. Dabei soll es um Lebensmittel gehen, bei denen über gesetzliche Mindeststandards hinausgegangen wird. Es sei Wunsch von Verbrauchern, mehr für Tiere zu tun und zu erkennen, wenn ein Landwirt mehr für Tiere getan habe, sagte Klöckner. Zugleich wünschten Landwirte, die in Tierwohl investierten, dass dies im Supermarkt registriert werden könne.
Der Beschluss fordert die EU-Kommission nun dazu auf, ein mehrstufiges, transparentes Kennzeichnungssystem zu entwickeln. Zudem solle es EU-weit vergleichbare Kriterien geben. Auch solle ein standardisiertes EU-Logo geschaffen und es sollten leicht verständliche geschützte Begriffe festgelegt werden. Greenpeace beklagte, Ministerin Klöckner bringe ein «windelweiches freiwilliges Tierwohlkennzeichen» voran. «Der EU-Agrarrat sollte eine für alle EU-Staaten verpflichtende Haltungskennzeichnung von Fleisch auf den Weg bringen, statt Klöckners Vorschlag eines freiwilligen Labels zu folgen», sagte Agrarexpertin Stephanie Töwe.
Bei den Beratungen über ein Nährwertlogo gab es keine Einstimmigkeit der 27 Staaten - drei Länder stimmten nicht zu. In einer Erklärung der deutschen Ratspräsidentschaft heisst es nun, dass die EU-Staaten sich für eine Harmonisierung der erweiterten Nährwertkennzeichnung aussprächen. Zudem wird die EU-Kommission dazu aufgefordert, eine Folgenabschätzung für ihren Ende 2022 erwarteten Gesetzesvorschlag für ein verpflichtendes Nährwertlogo auf der Vorderseite von Lebensmitteln vorzulegen.
In Deutschland gibt es bereits den Nutri-Score für Lebensmittel. Dieser bezieht neben Zucker, Fett und Salz empfehlenswerte Bestandteile wie Ballaststoffe in eine Gesamtbewertung ein und gibt einen Wert auf einer fünfstufigen Skala an. Hersteller von Fertigprodukten können es freiwillig auf der Vorderseite verwenden.
Grundlage der Verhandlungen über die Fischfang-Quoten ist eine Vorlage der EU-Kommission. Diese basiert in erster Linie auf Empfehlungen des Internationalen Rats für Meeresforschung (ICES). Die EU-Staaten legen auf dieser Grundlage jedes Jahr die sogenannten zulässigen Gesamtfangmengen fest. Etliche Fischbestände befinden sich in eher schlechtem Zustand. Deshalb geht es vor allem darum, die Interessen der Fischereiindustrie mit Umweltbelangen in Einklang zu bringen.
Die EU-Kommission hat für die Nordsee-Bestände vergangene Woche zudem einen Rechtsrahmen vorgelegt, der im Falle einer ausbleibenden Einigung mit Grossbritannien auf ein Handelsabkommen bis zum 31. Dezember 2021 gelten soll - oder bis zu einem gemeinsamen Fischereiabkommen. Diese Vereinbarung soll den Zugang von britischen Fischkuttern in EU-Gewässer regeln und umgekehrt.