EuGH setzt «Recht auf Vergessenwerden» Schranken
Wer bei einer Google-Suche nach seinem Namen heikle Informationen findet, kann die Löschung der Links beantragen. Der Anspruch darauf ist aber keineswegs umfassend, wie der Europäische Gerichtshof entschied.
Das Wichtigste in Kürze
- Das europäische «Recht auf Vergessenwerden» im Internet gilt nicht global.
Betreiber wie Google müssen Links aus Ergebnislisten bei einem erfolgreichen Antrag der Betroffenen nur in den europäischen Versionen ihrer Suchmaschinen löschen, wie der Europäische Gerichtshof nun entschied.
Zudem schrieben die EU-Richter eine genaue Abwägung bei der Frage vor, welche Suchergebnisse überhaupt unterdrückt werden müssen. Es geht um Links zu Informationen im Internet, die bei einer Suche nach einem bestimmten Namen auftauchen. Der EuGH hatte zwei unterschiedliche Streitfälle aus Frankreich zu entscheiden. In einem Fall wollten Kläger Google verpflichten, Links zu heiklen Hinweisen etwa zu Religionszugehörigkeit oder früheren Sexualvergehen aus der Ergebnisliste zu streichen. (Rechtssache C-136/17).
Im anderen Fall wollten Datenschützer den US-Betreiber zwingen, bei erfolgreichen Anträgen solche Links wirklich aus allen Versionen der Suchmaschine weltweit zu tilgen. (Rechtssache C-507/17) In beiden Fällen entschieden die EU-Richter eher im Sinne von Google und setzten dem «Recht auf Vergessenwerden» Schranken.
So stellten die EU-Richter zur Reichweite solcher Löschanträge fest, anders als in der Europäischen Union gebe es in vielen anderen Staaten kein «Auslistungsrecht». Auch sei das Recht auf Schutz personenbezogener Daten nicht uneingeschränkt: Es müsse mit anderen Grundrechten abgewogen werden, etwa mit der Informationsfreiheit der Internetnutzer.
Nach jetziger Rechtslage müsse ein Link bei einem erfolgreichen Antrag also nicht in allen Versionen einer Suchmaschine gelöscht werden, sondern nur in denen der EU-Staaten. Allerdings müssten die Betreiber Internetnutzer versuchen davon abzuhalten, von einem EU-Staat aus auf die entsprechenden Links in Nicht-EU-Versionen der Suchmaschine zuzugreifen. Gemeint ist offenbar das sogenannte Geoblocking. Dabei wird der Standort eines Anwenders über seine IP-Adresse oder andere Methoden lokalisiert und das Online-Angebot entsprechend zugeordnet.
Komplizierter ist die Antwort der EU-Richter auf die Frage, welche Links auf Verlangen der Betroffenen gelöscht werden müssen. Google und Co müssen demnach prüfen, ob die Aufnahme in die Ergebnisliste zum Schutz der Informationsfreiheit unbedingt erforderlich sei.
Vier Betroffene in Frankreich hatten erfolglos die Löschung von Links beantragt. Dabei ging es etwa um eine satirische Fotomontage, um Informationen über Verbindungen zur Scientology-Kirche oder um den Link zu einem Artikel über eine Anklage wegen sexueller Übergriffe auf Jugendliche.
Die Richter stellten grundsätzlich klar, dass das Verarbeiten personenbezogener Daten, aus denen etwa politische Meinungen, ethnische Herkunft oder Informationen über Gesundheit und Sexualleben hervorgehen, in der Regel verboten ist. Aber es gebe Ausnahmen.
Diese hingen von der Art der Information, deren Sensibilität für das Privatleben der betroffenen Person und vom Interesse der Öffentlichkeit ab. Auch die Rolle der Person im öffentlichen Leben sei einzubeziehen. Suchmaschinenbetreiber müssten ihre Entscheidung auf Grundlage aller relevanten Umstände des Einzelfalls treffen.
Der Piraten-Europaabgeordnete Patrick Breyer erklärte zu den Urteilen, Suchmaschinen-Verweise auf legale Inhalte zu blockieren, habe mit einem wirksamen «Recht auf Vergessen» ohnehin wenig zu tun. «Anstelle untauglicher Sperren sollten unzulässige Informationen dort gelöscht werden, wo sie gespeichert sind, und zulässige Informationen auffindbar bleiben.»