Europaparlament bestätigt Brexit-Handelspakt
Vier Monate nach Abschluss des britischen EU-Austritts stehen nun die künftigen Beziehungen beider Seiten auf einem rechtlichen Fundament. Reibungspunkte gibt es trotzdem.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Europaparlament hat dem Brexit-Handelspakt mit Grossbritannien endgültig zugestimmt.
Vier Monate nach Abschluss des britischen EU-Austritts kann das Abkommen voraussichtlich zum 1. Mai in Kraft treten.
Der britische Premier Boris Johnson begrüsste dies am Mittwoch und sprach vom «letzten Schritt einer langen Reise». EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen nannte den Vertrag das Fundament einer starken und engen Partnerschaft, mahnte aber erneut: «Verlässliche Umsetzung ist entscheidend.»
Denn die EU wirft London vor, Sonderregeln für Nordirland im bereits gültigen Austrittsvertrag nicht umzusetzen. Die EU-Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gestartet. Das Europaparlament zögerte deshalb die Ratifizierung des genannten Handelspakts um einige Wochen mit dem Argument hinaus, der frühere Vertrag werde gebrochen. Letztlich billigten die Abgeordneten das Hunderte Seiten starke Handels- und Kooperationsabkommen aber mit 660 von 697 abgegebenen Stimmen. Die mit Grossbritannien vereinbarte Frist bis 30. April wurde gehalten. Bisher wird das Abkommen vorläufig angewendet.
Die Ratifizierung bringe «Stabilität für unsere neue Beziehung mit der EU als wichtige Handelspartner, enge Verbündete und souveräne Gleichgestellte», sagte Johnson in London. Nun sei es Zeit, sich auf die Zukunft zu freuen und «Global Britain» aufzubauen - so nennt Johnson seine Vision eines starken, unabhängigen Königreichs. EU-Ratspräsident Charles Michel twitterte, es beginne eine neue Ära. «Die EU wird weiter konstruktiv mit dem Vereinigten Königreich zusammenarbeiten, einem wichtigen Freund und Partner.»
Die EU und Grossbritannien hatten das TCA genannte Handelsabkommen nach monatelangen Verhandlungen an Heiligabend 2020 unter Dach und Fach gebracht - nur eine Woche vor dem Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion. Es sieht zollfreien und unbegrenzten Warenhandel in beide Richtungen vor. Zollformalitäten und Kontrollen gibt es allerdings trotzdem. Unter anderem wird geprüft, ob Produkte wirklich hauptsächlich in Grossbritannien hergestellt wurden und ob Lebensmittel geforderten Standards entsprechen.
Der Vertrag umfasst darüber hinaus Regeln zum Fischfang sowie die Zusammenarbeit bei Energie, Transport, Justiz, Polizei und vielen anderen Themen. Grossbritannien gewinnt mit dem Pakt Zugang zum EU-Binnenmarkt. Im Gegenzug verlangte die EU faire Wettbewerbsbedingungen - das sogenannte Level Playing Field. Gemeint sind gleiche Umwelt-, Sozial- und Subventionsstandards.
Knackpunkt in den Verhandlungen war der Zugang von EU-Fischern zu britischen Gewässern. Vereinbart wurde eine Übergangsphase von fünfeinhalb Jahren, in der EU-Fischer in britischen Gewässern 25 Prozent weniger fischen dürfen als zuvor. Anschliessend soll dies jährlich festgelegt werden. Aus französischer Sicht gibt es bei der Umsetzung allerdings bereits Probleme und Verzögerungen.
Kommissionspräsidentin von der Leyen hatte in der Parlamentsdebatte am Dienstag für den Vertrag geworben. Dieser schütze die Rechte der Bürger, verhindere erhebliche Brüche für die Wirtschaft, sichere den EU-Binnenmarkt und EU-Standards. Und er habe «Zähne» - einen Schlichtungsmechanismus und die Option einseitiger Sanktionen, falls es nötig werde. Möglich sind zum Beispiel Strafzölle. Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, betonte im Deutschlandfunk, damit habe die EU «jetzt viel mehr Möglichkeiten, Grossbritannien auch zum Einhalten der Verträge zu zwingen».
Im Juni 2016 hatte eine knappe Mehrheit der britischen Wähler in einem Referendum für den EU-Austritt gestimmt. Dieser wurde am 31. Januar 2020 formal vollzogen. Doch lief eine Übergangszeit bis 31. Dezember 2020, in der Grossbritannien im Binnenmarkt und in der Zollunion blieb. Tiefe Änderungen im Alltag kamen erst zum 1. Januar 2021. Unter anderem brach der Handel zu Jahresbeginn drastisch ein.