Europaparlament

Europaparlament entscheidet über grünes Label für Gas- und Atomkraft

Keystone-SDA
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Frankreich,

Umweltschützer haben kurz vor der entscheidenden Abstimmung im Europaparlament für ein klares Nein zu den EU-Plänen geworben, Investitionen in Gas- und Atomkraftwerke unter bestimmten Bedingungen als klimafreundlich einzustufen. Die deutsche Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer rief vor dem Votum an diesem Mittwoch explizit die als Zünglein an der Waage geltenden Abgeordneten von christdemokratischen Parteien wie CDU und CSU dazu auf, geschlossen gegen das Projekt zu votieren. Diese könnten nun zeigen, dass Klimaschutz auch ihr Thema sei, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.

Die deutsche Klimaaktivistin Luisa Neubauer fordert die Abgeordneten der christdemokratischen Parteien auf, gegen das grüne Label für Gas- und Atomkraft zu stimmen. Foto: Boris Roessler/dpa
Die deutsche Klimaaktivistin Luisa Neubauer fordert die Abgeordneten der christdemokratischen Parteien auf, gegen das grüne Label für Gas- und Atomkraft zu stimmen. Foto: Boris Roessler/dpa - sda - Keystone/dpa/Boris Roessler

Das Wichtigste in Kürze

  • «Das Europaparlament könnte Geschichte schreiben, in dem es sich weigert, Gas und Atomkraft als »nachhaltig' grünzuwaschen«, betonte Neubauer.

Eine solche Entscheidung sei auch die schärfste Waffe der EU gegen Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, weil sie dafür sorgen werde, dass mehr Länder auf russisches Gas verzichteten.

Der Präsident des Naturschutzbundes (Nabu), Jörg-Andreas Krüger, plädierte ebenfalls für eine Ablehnung des Vorhabens. Dieses schaffe neue fossile Abhängigkeiten, statt Investitionsmittel in den dringend notwendigen klimaneutralen und naturverträglichen Ausbau erneuerbarer Energien umzulenken, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Die Abgeordneten des Europaparlaments entscheiden an diesem Mittwoch darüber, ob Investitionen in Gas- und Atomkraftwerke unter bestimmten Bedingungen als klimafreundlich einstuft werden können. Konkret geht es bei der Abstimmung in Strassburg um die sogenannte Taxonomie der EU. Sie ist ein Klassifikationssystem, das private Investitionen in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten lenken und so den Kampf gegen den Klimawandel unterstützen soll.

Für Unternehmen ist die Taxonomie relevant, weil sie die Investitionsentscheidungen von Anlegern beeinflussen und damit zum Beispiel Auswirkungen auf Finanzierungskosten von Projekten haben könnte. Investoren sollen zudem in die Lage versetzt werden, Investitionen in klimaschädliche Wirtschaftsbereiche zu vermeiden.

In einem ersten Schritt wurde bereits im vergangenen Jahr entschieden, die Stromproduktion mit Solarpaneelen, Wasserkraft oder Windkraft als klimafreundlich einzustufen. Zudem wurden Kriterien für zahlreiche andere Wirtschaftsbereiche festgelegt. Sie regeln beispielsweise, dass der Personen- und Güterzugverkehr ohne direkte CO2-Abgasemissionen als klimafreundlich eingestuft werden kann.

Unter dem Druck einiger Mitgliedstaaten schlug die für Gesetzesvorschläge zuständige EU-Kommission dann Ende vergangenen Jahres zusätzlich vor, auch Investitionen in Gas- und Atomkraftwerke unter bestimmten Bedingungen als klimafreundlich einzustufen. Eine entscheidende Rolle spielte dabei Frankreich, das in der Atomkraft eine Schlüsseltechnologie für eine CO2-freie Wirtschaft sieht und die Technik gerne auch weiter in andere Länder exportieren will. Deutschland setzte sich im Gegenzug für ein grünes Label für Gas als Übergangstechnologie ein.

Die Umsetzung des Kommissionsvorschlags kann nur verhindert werden, wenn sich mindestens 20 EU-Staaten zusammenschliessen, die mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU vertreten - oder mindestens 353 Abgeordnete im EU-Parlament. Da das Zustandekommen einer entsprechenden Mehrheit im Rat der EU als ausgeschlossen gilt, ist die Abstimmung im Europaparlament entscheidend.

Dort zeigten sich am Dienstag sowohl Gegner als auch Befürworter überzeugt, die Sache für sich entscheiden zu können. Gegner argumentieren unter anderem, dass Anreize für Investitionen in den Bau neuer Gaskraftwerke in starkem Kontrast zu den Bemühungen stehen, unabhängig von russischem Gas zu werden. Zudem gibt es insbesondere vor dem Hintergrund möglicher Risiken aus Ländern wie Deutschland, Österreich und Luxemburg scharfe Kritik am geplanten Umgang mit der Atomkraft.

EU-Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness sagte im Plenum, dass einige EU-Länder Gas in der Übergangsphase benötigten, um sich von schmutzigen fossilen Brennstoffen abzuwenden. Kernkraft sei kohlenstoffarm und damit auch Teil des Energiemixes für eine Übergangsphase. «Ich möchte betonen, dass kein Mitgliedstaat verpflichtet ist, in Kernkraft oder Gas zu investieren», sagte McGuinness.

Grünen-Abgeordnete wie Bas Eickhout und der CSU-Abgeordnete Markus Ferber zeigten sich davon allerdings nicht überzeugt. Ferber warf der Kommission vor, den Rechtsakt nicht nach wissenschaftlichen, sondern nach politischen Kriterien zusammengestellt zu haben. Eickhout nannte das Projekt ein «reines politisches Spiel Frankreichs».

Konkret sehen die Pläne der EU-Kommission vor, dass in Ländern wie Frankreich, Polen und den Niederlanden geplante Investitionen in neue AKW als nachhaltig klassifiziert werden können, wenn die Anlagen neuesten Technik-Standards entsprechen und ein konkreter Plan für eine Entsorgungsanlage für hoch radioaktive Abfälle spätestens 2050 vorgelegt wird. Zudem soll Bedingung sein, dass die neuen Anlagen bis 2045 eine Baugenehmigung erhalten. Bei der Einstufung neuer Gaskraftwerke sollen relevant sein, wie viel Treibhausgase ausgestossen werden und ob sich die Anlagen spätestens 2035 auch mit grünem Wasserstoff oder kohlenstoffarmem Gas betreiben lassen können.

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