Ex-DDR-Chef Egon Krenz verteidigt sich in seinen Memoiren
Egon Krenz stand 1989 für 50 Tage an der Spitze der DDR. Jetzt blickt er im ersten Band seiner Memoiren zurück auf die Anfänge – eine Verteidigungsschrift.
Das Wichtigste in Kürze
- Egon Krenz war 1989 für 50 Tage Staatschef der DDR und Nachfolger Erich Honeckers.
- Jetzt hat der SED-Funktionär den ersten Teil seiner Memoiren veröffentlicht.
- Es ist vor allem eine Verteidigungsschrift – Selbstkritik findet sich kaum.
Es war ausgerechnet die CDU, die den späteren DDR-Staatschef Egon Krenz in der Nachkriegszeit in die Politik brachte. Vor der Landtagswahl am 20. Oktober 1946 überklebte der Neunjährige nachts Wahlplakate der Einheitspartei SED – im Auftrag der CDU. Als Egon Krenz erwischt wurde, wechselte er einfach die Lager.
Egon Krenz: «Ich hatte die Hosen gestrichen voll»
Der 1937 geborene Krenz lässt im Buch keinen Zweifel, wer für ihn die Guten sind. Ein russischer Soldat, der ihm nach der Flucht mit seiner Mutter nach Damgarten Lebensmittel schenkte.
Die SED, die ihn förderte. Der sozialistische Staat, der ihm Heimat und Lebensaufgabe wurde. Krenz, der eigentlich Journalist werden wollte, dann Lehrer, folgte denn auch dem Ruf der Partei. So stellt er es selbst dar.
Klar auch, wer für Krenz die Bösewichte sind. Die deutsche Teilung und der Mauerbau? Erzwungen vom Westen: «Die Einführung der D-Mark markierte das Datum der eigentlichen Spaltung Deutschlands und seiner Hauptstadt Berlin. 1961 wurde durch die Warschauer Vertragsstaaten lediglich befestigt, wofür die Westmächte 1948 den Grundstein gelegt hatten.»
Die Bundesregierung – mit Nazis durchsetzt bis ins Umfeld von Kanzler Konrad Adenauer. Westdeutsche Wirtschaftskraft? Die DDR wurde ja auch «von Anfang an vom Westen boykottiert. Wir mussten uns gegen Vorbehalte und Lügen behaupten.»
Die Verteidigungsschrift eines verurteilten Totschlägers
Das Buch ist über weite Strecken eine Verteidigungsschrift des Mannes, der zu DDR-Zeiten als FDJ-Funktionär bisweilen als «Berufsjugendlicher» verspottet wurde. Ein Mann, der nach der Einheit wegen der Toten an der Mauer im Gefängnis sass und bis heute angefeindet wird.
Von Schiessbefehl, Zwangsmassnahmen, Ausreisesperren, Konsummangel und Perspektivlosigkeit in der DDR ist in seinem Buch nicht die Rede. Selbstkritik gibt es allenfalls in homöopathischen Dosen.
Sowjets sollen sich gegen Ulbricht verschwört haben
Einige interessante Einblicke bieten diese Erinnerungen dennoch, wenn Krenz aus dem Inneren der SED berichtet. Er bezieht sich dabei unter anderem auf ein Bündel teils handschriftlicher Dokumente, die ihm Erich Honecker 1989 gegeben habe.
Da ist der jahrelange Machtkampf Honeckers mit Walter Ulbricht, bei dem sich die Sowjets nicht für eine Seite entschieden. In diese Ränke ordnet Krenz den Besuch Willy Brands in Erfurt ein, wo ihm Menschen zujubelten. Laut Krenz unverständlich, warum kein «staatstreues» Publikum vor Ort war. Er vermutet dahinter die Sowjets, die damit Ulbricht hätten schaden wollen.
Der erste Band der Krenz-Erinnerungen endet 1973, aber nicht ohne Cliffhanger. Da sinniert der Autor über Honecker, den er in den Wirren des Umbruchs im Oktober 1989 ablösen wird.
Das Schlusswort: «Honeckers kameradschaftliches Verhältnis zu mir beeindruckte mich. Es war herzlich und produktiv. Das sollte sich in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre, als Gorbatschow in Moskau das Ruder übernahm, ändern.» «Egon Krenz - Aufbruch und Aufstieg - Erinnerungen» erschien am Montag.