Seit ein Afghane in Mannheim einen Polizisten getötet hat, gibt es zunehmend Forderungen, Abschiebungen in das Land zu ermöglichen. Ein Experte übt Kritik.
Taliban Mannheim Messer
In Mannheim (D) hatte ein Mann bei einer Kundgebung auf mehrere Personen eingestochen. - Screenshot X

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Frage, ob Straftäter nach Afghanistan ausgeschafft werden sollen, bewegt Deutschland.
  • Ein Afghanistan-Experte hält dies für keine gute Idee.
  • Er befürchtet, dass die Taliban das Thema «propagandistisch ausschlachten» könnten.
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Letzten Freitag hat ein Afghane in Mannheim (D) an einer Veranstaltung von Rechtspopulisten mehrere Menschen attackiert. Den 29-jährigen Polizisten Rouven L. tötete er dabei mit einem Messerstich.

Seither ist in Deutschland die Debatte um Abschiebungen nach Afghanistan wieder entfacht. Vermehrt kommt die Forderung auf, Straftäter in das von den Taliban kontrollierte Land abzuschieben. Auch Kanzler Olaf Scholz sprach sich am Donnerstag dafür aus.

Die rechtlichen Möglichkeiten für Abschiebungen nach Afghanistan sind jedoch komplex und unklar. In Deutschland sind Abschiebungen verboten, wenn den Menschen vor Ort Gefahr für Leib und Leben oder ihre Freiheit droht. Seit der Machtübernahme der Taliban 2021 wurde die Lage dort so eingeschätzt. Abschiebungen wurden seither nicht mehr vollzogen.

Taliban würden Gespräche «propagandistisch ausschlachten»

Afghanistan-Experte Thomas Ruttig hält Abschiebungen von kriminellen Afghaninnen und Afghanen in ihr Herkunftsland nicht für sinnvoll. Der Journalist erklärt gegenüber der deutschen «Tagesschau», die dort regierenden Taliban könnten von solch einer Vereinbarung profitieren. Zwar nicht wegen der Straftäter selbst, sondern aufgrund der internationalen Anerkennung, die sie dadurch gewinnen würden.

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Letzten Freitag verübte ein Afghane in Mannheim (D) einen tödlichen Messerangriff.
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Der Fall beschäftigt auch die deutsche Politik.
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Bundeskanzler Olaf Scholz forderte am Donnerstag, dass Straftäter nach Afghanistan abgeschoben werden sollen. Aktuell verbietet das Gesetz dies aufgrund der Sicherheitslage im Land.
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Ein Experte glaubt, dass Abschiebungen den Taliban in die Hände spielen würden.

«Ganz sicher würden die Taliban solche Gespräche propagandistisch ausschlachten», so Ruttig. «Sie könnten sie als Teillegitimation darstellen und sich gleichzeitig als konstruktiv präsentieren.»

Laut dem Experten hat das Regime dies auch nötig: «Bisher hat kein Land die Taliban-Regierung vollständig diplomatisch anerkannt. Doch sie arbeiten daran, diesen Status zu erreichen. Gespräche mit Vertretern anderer Länder über politische Themen wie Abschiebungen könnten daher in ihrem Interesse sein.»

Messerstecher könnte in Afghanistan «in Gefahr sein»

Auch der Experte weist darauf hin, dass die Situation in Afghanistan äusserst unsicher sei. «Der Messerstecher von Mannheim könnte in Gefahr sein, wenn er an die Taliban ausgeliefert wird. Insbesondere wegen seiner möglichen Verbindungen zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS).» Der IS und die Taliban trennt eine tiefe Feindschaft – IS-Anhänger werden in Afghanistan verfolgt.

Findest du, kriminelle Afghanen sollten in ihr Heimatland abgeschoben werden dürfen?

Wie der Journalist weiter erklärt, scheuen die Taliban nicht vor brutalen Methoden zurück. «Es gibt dokumentierte Fälle von extralegalen Hinrichtungen, Folter und Tod in Haftanstalten. Dies könnte auch das Schicksal von nach Afghanistan Abgeschobenen sein.»

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