Fall Nawalny: Das geschah mit anderen Kreml-Kritikern
Es klingt irgendwie nach Hollywood. Russische Agenten sollen den Kreml-Kritiker Nawalny vergiftet haben. Es wäre nicht der erste Anschlag auf Oppositionelle.
Das Wichtigste in Kürze
- Oppositionelle haben es in Russland schwer – sie müssen täglich um ihr Leben fürchten.
- Der Fall Alexey Nawalny passt ins Muster.
- Es gibt einige Parallelen zu anderen Giftanschlägen.
Der bekannte russische Kreml-Kritiker Alexey Nawalny wird momentan in der Berliner Charité behandelt. Nawalny liegt seit Donnerstag im Koma und wird künstlich beatmet. Seine Sprecherin Kira Jarmysch vermutet einen Gift-Anschlag.
Der Oppositionelle trank am Donnerstag vor einem Flug nach Moskau noch einen Tee. Wenig später klagte er über Schmerzen und verlor noch im Flugzeug das Bewusstsein. Nach einer Notlandung wurde er zuerst in einem russischen Spital behandelt.
Wieso der bekannte Putin-Kritiker im Koma liegt, kann noch nicht mit Sicherheit gesagt werden. Fakt ist aber: Nawalny wäre nicht der erste Oppositionelle, mit dem in Russland kurzer Prozess gemacht wird. Und einige haben durchaus Ähnlichkeiten zum Nawalny-Fall.
Vergifteter Pussy Riot-Aktivist
Der Fall Nawalny weckt Erinnerungen an die Vergiftung von Pjotr Wersilow. Der Pussy Riot-Aktivist wurde 2018 wegen eines mutmasslichen Vergiftungsversuchs ebenfalls in der Berliner Charité behandelt. Wersilow überlebte den Anschlag und machte den russischen Geheimdienst dafür verantwortlich.
Auf Twitter verglich der Aktivist am Sonntagabend seine Vergiftung mit der Nawalnys: «Alles an dieser Geschichte ist zu ähnlich - bis zur wahrscheinlich ähnlichen vergifteten Substanz, die bei mir und Nawalny angewendet wurde.»
Nervengift-Anschlag auf Skripal
Für Aufsehen sorgte im gleichen Jahr der Nervengift-Anschlag auf den russischen Ex-Spion Sergej Skripal. Skripal und seine Tochter Julia waren im März 2018 in der südenglischen Stadt Salisbury durch den Nervenkampfstoff Nowitschok schwer verletzt worden.
Das seltene Gift war ursprünglich in der Sowjetunion entwickelt worden. Moskau bestreitet entschieden, etwas mit den Vergiftungen zu tun zu haben.
Für Aufsehen sorgte auch der Hacker-Angriff auf das Untersuchungslabor in Spiez. Kurz danach wurden vier russische Agenten daran gehindert, in die Schweiz einzureisen. Sie wollten wahrscheinlich das Labor ausspionieren.
Tod beim Joggen
Der russische Whistleblower Alexander Perepilichny starb 2012 unerwartet beim Joggen. Der Geschäftsmann war drei Jahre zuvor nach Grossbritannien geflohen und unterstützte internationale Ermittlungsteams bei Korruptionsuntersuchungen russischer Beamter.
Zuerst gingen die Ermittler von einem Herzinfarkt aus. Doch später fand man in seinem Magen eine giftige Substanz. Nach dem Skripal-Attentat wurden auch in diesem Fall die Ermittlungen wieder aufgenommen. Ein Mord konnte bis heute nicht nachgewiesen werden.
Tee-Parallele zu Nawalny
Die grössten Anschuldigungen gegen den russischen Geheimdienst erhob Alexander Litwinenko. Der Russe vermutete den russischen Nachrichtendienst hinter einer Serie von Bombenanschlägen in Moskau.
This is Alexander Litvinenko. He defected from Russia's main intelligence agency and fled to London where he wrote about the misdeeds of the Russian mafia state. Putin's thugs found him an poisoned him. He died. pic.twitter.com/H4oPouQSYi
— Scott Stedman (indefinite hiatus) (@ScottMStedman) July 25, 2020
Der Ex-Offizier des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB wurde 2006 in einem Londoner Restaurant vergiftet und starb. Kurz vor seinem Tod teilte er der «Times» mit, dass der Kreml ihn zum Schweigen gebracht habe.
Brisant: Der radioaktive Giftstoff wurde in seinem Tee nachgewiesen. Auch bei Nawalny wird über eine mögliche Vergiftung durch den Tee spekuliert. Die britischen Ermittler fordern bis heute die Auslieferung des Hauptverdächtigen.
Es fehlt der Beweis
Doch russische Oppositionelle und Kreml-Kritiker müssen sich nicht nur vor Gift-Anschlägen fürchten. Der einstige Vize-Ministerpräsident Russlands, Boris Nemzow, wurde 2015 in Moskau auf offener Strasse erschossen. Er war einer der wichtigsten Kritiker Putins.
Die russischen Ermittler sprachen noch am gleichen Tag von einem Auftragsmord. Zwei Jahre später wurden die Mörder verurteilt, nach einem staatlichen Auftraggeber wurde aber nie gesucht. Der russische Präsident Putin hat bislang jeden Anschlag auf Oppositionelle ohne politischen Schaden überstanden.