Deutschland: Auf dem Weg zur Herdenimmunität

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Deutschland,

Fast 50 Prozent der Deutschen haben bereits eine Impfung gegen das Corona-Virus erhalten. Ein wichtiger Schritt, jedoch zu früh um durchzuschnaufen.

Ein Mann wird mit dem Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer geimpft. Im sechsten Monat nach dem Start der Corona-Impfkampagne in Deutschland hat beinahe die Hälfte der Bevölkerung mindestens eine erste Dosis erhalten. D. Foto: Marijan Murat/dpa
Ein Mann wird mit dem Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer geimpft. Im sechsten Monat nach dem Start der Corona-Impfkampagne in Deutschland hat beinahe die Hälfte der Bevölkerung mindestens eine erste Dosis erhalten. D. Foto: Marijan Murat/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Knapp die Hälfe aller Deutschen hat die erste Impfung erhalten.
  • Mehr als ein Viertel ist bereits zweifach gegen das Virus geimpft.
  • Für den Sommer sind weitere Lockerungsschritte gut möglich.

Eine wichtige Marke auf dem Weg zur erhofften Herdenimmunität ist erreicht: Annähernd jeder Zweite in Deutschland hat mindestens eine Spritze zum Schutz vor Covid-19 bekommen.

Sechs Monate nach dem Start der Corona-Impfkampagne in Deutschland hat beinahe die Hälfte der Bevölkerung mindestens eine erste Dosis erhalten. Die Quote der Erstgeimpften lag nach Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) bei 48,1 Prozent. Bereits 25,7 Prozent haben den vollen Schutz.

Erste Impfung allein bietet nicht ausreichend Schutz

Das bedeutet auch: Viele Millionen Menschen sind noch ungeschützt oder erst teilgeschützt. Eine einmalige Impfung biete noch nicht genügend Schutz vor einer Infektion, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler Anfang Juni. Anders ist das nur beim Janssen-Impfstoff, der bereits nach einer Dosis vollen Schutz bietet.

Um weitgehend auf Massnahmen verzichten zu können, brauchten mehr als 80 Prozent der Bevölkerung einen Immunschutz. Entweder durch vollständige Impfung oder durchgemachte Infektion plus Impfung. Sollte man künftig einer noch ansteckenderen Virusvariante die Stirn bieten müssen, wäre wohl ein noch höherer Anteil nötig.

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Die WHO wollte sich nicht dazu äussern, ob es eine vierte Impfdosis gegen das Coronavirus benötigen wird. - dpa

Wie viel bewirken die bisherigen Erstimpfungen? Ihr Anteil am Rückgang der Fallzahlen seit dem Höhepunkt der dritten Welle ist nicht leicht zu beziffern. Experten verweisen auf ein Zusammenspiel vieler Faktoren.

Risiko für Ungeimpfte vermindern

«Die zunehmenden Impfungen helfen dabei, die Infektionszahlen zu senken. Aber dass sie zuletzt nicht allein den Unterschied machten, sieht man an den sinkenden Inzidenzen von ungeimpften Altersgruppen». Dies sagte der Immunologe Carsten Watzl der Deutschen Presse-Agentur.

Daten aus Israel weisen darauf hin, dass die Impfquote das Risiko für ungeimpfte Jugendliche vermindern kann, sich anzustecken. Mit zunehmender Zahl geimpfter Erwachsener wurden demnach immer weniger unter 16-Jährige positiv getestet. Dies berichten israelische Forscher im Fachjournal «Nature Medicine».

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Coronavirus: Der öffentliche Verkehr ist einer der wenigen Orte, wo noch immer eine Maske getragen werden muss. - Keystone

Experten aus Virologie und Epidemiologie erwarten, dass sich die Last durch die Krankheit mit fortschreitenden Impfungen immer weiter reduziert: mit weniger Krankenhausbehandlungen, weniger Fällen auf Intensivstationen und weniger Todesfällen. Im Sommer müsse man «zu einer anderen Betrachtung der ganzen Bedrohungslage» kommen. Dies sagte Virologe Christian Drosten im NDR-Info-Podcast «Coronavirus-Update»

«Die Länder, die eine Durchimpfung von 50 oder 60 Prozent haben, dürften dieses Jahr keine landesweiten Ausbrüche mehr erleben. Das sagte der US-Epidemiologe Michael Osterholm kürzlich «Zeit Online». Auch für Deutschland ewartet das RKI bei vorsichtigen Öffnungsschritten und zunehmender Durchimpfung in nächster Zeit kein unkontrolliertes Infektionsgeschehen mehr.

Vertrauen muss gestärkt werden

Osterholm verwies allerdings auf Bevölkerungsgruppen, in denen wegen geringer Impfquoten weiter Ausbrüche drohen: «Ganz entscheidend wird in Zukunft sein, ob alle Menschen den Impfstoffen vertrauen. Oder ob sich das Vertrauen zwischen bestimmten Nachbarschaften, sozialen Schichten und ethnischen Gruppen stark unterscheidet.»

Genaue Daten zum Impffortschritt in bestimmten Gruppen vermissen Experten in Deutschland. Seit auch Spritzen in Arztpraxen gesetzt werden, gibt es in RKI-Statistiken zum Beispiel nur noch eine grobe Alterseinteilung.

Vierte Welle im Herbst erwartet

Der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie ist sicher, dass es eine vierte Welle geben wird, spätestens im Herbst. «Wie gross sie ausfallen wird, hängt vom Impferfolg und der Höhe der Inzidenzen am Ende des Sommers ab.» Vermieden werde müsse, dass ein Teil der Bevölkerung erst im Herbst wieder ans Impfen denkt: «Dann bekommen wir ein logistisches Problem.»

Erstimpfungen gelten als Schutz insbesondere vor schwerer Erkrankung. Dieser wird durch die Zweitimpfung noch verbessert und verlängert. «Ein bisschen entspannen können sich einfach Geimpfte, aber leichtsinnig werden sollten sie nicht», sagte Watzl.

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Ein Gebäude des US-Konzerns Johnson & Johnson. - Johnson & Johnson

Insbesondere Virusvarianten, die seit Monaten für das Gros der Fälle in Deutschland sorgen, werden als Gefahr gesehen. «Die Zweitimpfung ist dringend notwendig, um auch die Mutanten gut abwehren zu können.» Lediglich das Präparat von Johnson & Johnson ist als Einmalimpfung zugelassen.

Allerdings wirkt keine Impfung zu 100 Prozent, Ansteckungen und zumindest leichtere Erkrankungen sind weiterhin möglich. Sie sind nur wesentlich unwahrscheinlicher. Varianten können zudem durch Erbgutveränderungen Eigenschaften erlangt haben, die es ihnen ermöglichen, Antikörpern von Geimpften und Genesenen zu entgehen. In der Fachsprache heisst das Immunescape (Immunflucht).

Immungeschwächte Menschen haben weniger Impfschutz

Die derzeit in Deutschland dominierende Variante hat die Eigenschaft, ansteckender zu sein. Wie eine «Science»-Studie kürzlich zeigte, scheiden Infizierte etwa 10 mal mehr Virus aus als Menschen, die sich mit Vorgängerversionen ansteckten.

Auch das ist für den Impfschutz bedeutsam, wie Watzl erläutert: «Wie gut der Schutz ausfällt, hängt vom Immunsystem und der Menge an Virus ab, der man ausgesetzt ist.»

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Pflegende verlegen einen Covid-19-Patienten in die Abteilung Intensivpflege im HFR Freiburg. - Keystone

Zudem hat sich gerade bei immungeschwächten Menschen gezeigt, dass die Impfung nicht so gut anschlägt. Watzl rechnet in diesen Gruppen mit Drittimpfungen bereits im Herbst.

Nach Zahlen, die das Bundesgesundheitsministerium im Mai bekanntgab, steckten sich bisher rund 13.000 Menschen an, die bereits voll geimpft waren. Die Zahl klingt hoch, aber in Relation zur Gesamtzahl der bis dahin komplett Geimpften waren nur 0,16 Prozent betroffen. Auch war bei den Zahlen nicht klar, ob die Infektion bei vollem Impfschutz auftrat.

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