Fluglotsen müssen immer funktionieren
Homeoffice ist für Fluglotsen auch zu Corona-Zeiten keine Option. Obwohl im Luftraum Flaute herrscht, müssen sie die Konzentration hochhalten - auch bei der Abwehr des tückischen Virus.
Das Wichtigste in Kürze
- «Es ist definitiv weniger los», seufzt Damaris Schönfeld.
Bei der Deutschen Flugsicherung (DFS) in Langen kontrolliert die 26-Jährige im Schichtdienst den Luftraum östlich von Frankfurt in einem Dreieck bis Nürnberg und Stuttgart.
Wegen der Corona-Krise fliegen in dem sonst extrem dicht besetzten Luftraum nur noch vereinzelte Passagiermaschinen und die derzeit gut ausgelasteten Frachter.
Luftraumüberwachung auch in Krisenzeiten
Die Verkehrsleistung ist um rund 85 Prozent gesunken und die Lotsen müssen trotz zusammengelegter Sektoren aufpassen, dass sie in der Flaute nichts Wichtiges übersehen. «Die Konzentration oben zu halten, ist ein wichtiger Teil meines Jobs», sagt Schönfeld, die nach ihrer Ausbildung bereits seit fast drei Jahren am Kontrollschirm sitzt. Übrigens niemals allein, sondern immer mindestens in Zweier-Teams. «Fluglotsen sind keine Einzelkämpfer» lautet ein wichtiger Grundsatz der Luftverkehrskontrolle.
Die gehört mit ihren vier Kontrollzentralen und Towern an allen 16 internationalen Flughäfen Deutschlands zweifelsfrei zur kritischen Infrastruktur des Landes. Der Luftraum muss auch in Krisenzeiten reibungslos funktionieren. Das bedeutet, dass für Szenarien wie die aktuelle Pandemie ausgearbeitete Notfallpläne vorliegen.
Coronafälle bei der Deutschen Flugsicherung
Die bundeseigene GmbH hat nach eigenen Angaben in ihren Reihen bislang zehn nachgewiesene Corona-Fälle erlebt, von denen vier Mitarbeiter bereits wieder genesen sind. Nach einem Corona-Nachweis bei einem aktiven Tower-Lotsen in München Anfang März war die gesamte Schicht in Quarantäne geschickt worden. Schon beim leisesten Verdachtsfall würden die Mitarbeiter und Kontaktpersonen nach Hause geschickt oder gleich dort gelassen, versichert Sprecherin Ute Otterbein.
Die Lotsenpulte sind gross genug, dass man voneinander den Mindestabstand von 1,5 Metern halten könne, versichert die Lotsin Schönfeld. Neben ihr steht immer Desinfektionsmittel für die Konsole, ihr Headset nutzt sie ohnehin ausschliesslich selbst. Kurzfristig seien Plexiglas-Trennwände zu den Kollegen diskutiert, aber auch schnell wieder verworfen worden. «Wir müssen einfach miteinander kommunizieren.»
Lotsen sind nicht einfach ersetzbar
Ein Grundproblem beim Personaleinsatz ist die starke Spezialisierung der rund 2200 Lotsen auf bestimmte Luftraum-Sektoren. Ihre Lizenzen gelten nur für bestimmte Sektorenbündel, ein Lotse vom Frankfurter Flughafen-Tower dürfte nicht ohne weiteres die Arbeit eines Kollegen im Center Karlsruhe erledigen, das für den obersten Luftraum zuständig ist. Auch Damaris Schönfeld darf nur in ihrer «Einsatzberechtigungsgruppe 04» tätig sein, griffiger als Frankfurt-Ost bezeichnet. Dort allerdings kennt sie jede Ecke und alle heiklen Stellen, sagt sie.
Auch die rund 900 Techniker der DFS sind auf einzelne Systeme zugelassen und nicht ohne weiteres verzicht- oder ersetzbar. Die meisten Kontrollsysteme müssen permanent weiterlaufen und der militärische Flugbetrieb geht auch in Corona-Zeiten weiter wie gewohnt. Daraus ergibt sich nach einer internen Analyse, dass selbst beim derzeitigen Minimalbetrieb noch 60 bis 70 Prozent der Mannschaft an Bord sein müssen.
Vielfältige Absicherung im Notfall
Obwohl Schönfeld und ihre Kollegen derzeit wie sonst nur in sehr ruhigen Nächten fünf Sektoren gleichzeitig beaufsichtigen, ist eine Vielzahl weiterer Kräfte notwendig. Alle zwei Stunden müssen die Lotsen aus Sicherheitsgründen ohnehin eine Pause einlegen und die Ablösung ranlassen. Es gibt zusätzlich Standby-Teams auf Abruf und selbst auf den Ausfall eines gesamten Centers etwa durch einen Brand ist die Flugsicherung vorbereitet, indem andere Center übernehmen.
Trotzdem sieht sich die DFS nach Jahren mit einer knappen Personaldecke in der ungewohnten Lage, dass mehr als ausreichend Lotsen zur Verfügung stehen. Nach Corona sei wegen des geringeren Luftverkehrs auf Jahre hinweg mit einem geringeren Personalbedarf zu rechnen, sagt DFS-Chef Klaus-Dieter Scheurle. Mit ihrer Hausgewerkschaft GdF hat die Flugsicherung daher einen «Corona-Tarifvertrag» abgeschlossen, auf dessen Grundlage für jeden Lotsen und Techniker 300 Stunden Minderarbeit angeordnet werden können. Diese Stunden müssen in den kommenden Jahren nur zur Hälfte nachgeleistet werden.