Förster und Waldbesitzer fürchten neue Borkenkäferplage
Deutschlands Wälder sind von Trockenheit, Stürmen und Borkenkäfern schwer geschädigt. Wenn nicht das Wetter hilft, droht in diesem Jahr eine neue Käferplage.
Das Wichtigste in Kürze
- Nach mildem Winter und Sturmschäden in vielen Wäldern fürchten Förster und Waldbesitzer deutschlandweit eine neue Borkenkäferplage.
Sofern nicht ein kaltes und nasses Frühjahr die Ausbreitung der Insekten bremse, sei nach den Katastrophenjahren 2018 und 2019 erneut ein massenhaftes Auftreten der Schädlinge zu erwarten. Das bayerische Agrarministerium in München rechnet «zum jetzigen Zeitpunkt für 2020 mit einer Borkenkäfersituation, die mit 2019 vergleichbar ist», wie ein Sprecher erklärt. «Wir erwarten in 2020 Schäden, die sogar noch leicht über den Schäden des Vorjahres liegen», sagt Andreas Wiebe, Leiter des nordrhein-westfälischen Landesbetriebs Wald und Holz in Münster.
Die Forstfachleute in den zwei grössten Bundesländern stehen mit dieser Einschätzung nicht allein. Der milde Winter habe die weissen Stadien des Borkenkäfers kaum geschädigt, erläutert Horst Sprossmann, Sprecher von Thüringenforst in Erfurt. Schlimmstenfalls ist demnach «mit einer explosionsartigen Vermehrung dieser Schädlinge im Frühjahr 2020» zu rechnen. «Weisse Stadien» sind Larven, Puppen und Eier.
Borkenkäfer befallen und zerstören hauptsächlich Fichten, den wichtigsten Wirtschaftsbaum in Deutschland. Bundesweit sind derzeit Förster und Waldarbeiter im Dauereinsatz, um befallene und umgestürzte Bäume zu suchen und aus den Wäldern zu räumen. «In diesem Frühjahr ist die Zahl der Borkenkäfer, die quicklebendig unter der Rinde und im Waldboden überwintert haben, immens hoch», sagt NRW-Forstchef Wiebe. «Unsere Experten haben in einigen Wäldern über eine Million Käfer pro Hektar Wald gefunden.» Dabei genügen 200 Borkenkäfer, um eine unter Dürre leidende Fichte absterben zu lassen.
Dementsprechend beunruhigt sind die Waldeigentümer. «Sie befürchten erneut eine Katastrophe in den Wäldern, wenn auch in diesem Jahr ein trockener und regenarmer Sommer folgt», heisst es bei der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände in Berlin. «Daher müssen die (im vergangenen Jahr versprochenen) 800 Millionen Euro Hilfsgelder von Bund und Ländern jetzt schnell an die Waldbesitzer kommen.» In dem Verband mit zwei Millionen Mitgliedern haben sich private und kommunale Eigner zusammengeschlossen.
Die Februarstürme haben vielerorts Bäume umgeknickt, die nun als Brutstätte für die Borkenkäfer dienen können. Die Schäden der vergangenen zwei Jahre sind ohnehin noch nicht beseitigt. «Viele Wälder sind noch von der Trockenheit der letzten Jahre geschwächt, was die Widerstandskraft gegenüber Schadorganismen senkt», heisst es im bayerischen Agrarministerium. Abgesehen von der Schwächung der Bäume sind vielerorts die normalerweise begrünten Waldränder beschädigt und offen - ebenfalls attraktiv für die Käfer.
«Die Auswirkungen sind ökologisch wie wirtschaftlich ausgesprochen negativ», sagt Thüringenforst-Sprecher Sprossmann. In den vergangenen zwei Jahren sind in ganz Mitteleuropa ausserordentlich grosse Mengen Schadholzes angefallen. «Insbesondere der Holzmarkt liegt weitgehend am Boden, sortimentsweise sind die Holzpreise um zwei Drittel gefallen», sagt Sprossmann. «Gerade für mittlere Privatforstbetriebe ist die Situation schlicht existenzbedrohend.»
Eine Hoffnung war der Holzexport nach China - doch wegen der Ausbreitung des Coronavirus ist die Ausfuhr zusammengebrochen. «Schiffe werden dort nicht mehr entladen, in Europa gibt es nicht genug Container, die Frachtraten für noch vorhandene Kapazitäten sind verdoppelt», berichtet NRW-Forstchef Wiebe.