Frankreichs Schulen erinnern an toten Lehrer
Am Ende des letzten Schultags vor den Herbstferien wurde Lehrer Samuel Paty getötet. Gut zwei Wochen später geht in Frankreich der Unterricht wieder los - doch es ist kein Schulbeginn wie jeder andere.
Das Wichtigste in Kürze
- In Frankreich haben rund zwölf Millionen Schülerinnen und Schüler mit einer Schweigeminute an den brutal ermordeten Lehrer Samuel Paty erinnert.
Zum Schulstart nach den Herbstferien gab es am Montag Gedenkveranstaltungen in den Schulen des Landes für Paty, der Opfer einer Terrorattacke wurde.
«Wir sind Frankreich! Wir werden zusammenhalten», schrieb Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in einer Botschaft in sozialen Netzwerken. Gleichzeitig reissen die anti-französischen Proteste gegen Macron im Streit um Karikaturen des Propheten Mohammed nicht ab.
Premierminister Jean Castex und Bildungsminister Jean-Michel Blanquer besuchten am Vormittag Schulen im Pariser Vorort Conflans-Sainte-Honorine, in dem auch Paty an einer Schule lehrte. Trotz strenger Ausgangsbeschränkungen im Kampf gegen Corona hat in Frankreich an diesem Montag die Schule wieder begonnen. Auch in Deutschland wurde an Paty erinnert, so etwa an Schulen in Hamburg, Berlin und Hessen.
Paty war Mitte Oktober den Ermittlern zufolge von einem 18-Jährigen getötet worden, weil er im Unterricht zum Thema Meinungsfreiheit Karikaturen des Propheten Mohammed gezeigt hatte. Seine Leiche war enthauptet aufgefunden worden. Die Tat hatte in Frankreich riesiges Entsetzen ausgelöst. Keine zwei Wochen später starben bei einer Messerattacke in einer Kirche drei Menschen in Nizza, auch hier geht die Staatsanwaltschaft von einem islamistischen Anschlag aus.
Macron hatte nach dem Mord an Paty die Meinungsfreiheit und die Veröffentlichung von Karikaturen verteidigt. Daraufhin war es in zahlreichen muslimischen Ländern zu Protesten gekommen. Vor der französischen Botschaft in der indonesischen Hauptstadt Jakarta demonstrierten am Montag rund 400 Menschen. Tausende Muslime protestierten auch in Bangladesch. Sie forderten einen Boykott französischer Waren und einen Stop der diplomatischen Beziehungen zwischen Bangladesch und Frankreich.
In Deutschland ermittelt die Polizei wegen eines anti-französischen Vorfalls im Berliner Bezirk Neukölln. Auf einem Video ist zu sehen, wie ein Mann mit einer Macron-Maske an einem Strick von einem weiteren Mann in traditioneller arabischer Kleidung über die Sonnenallee gezogen und gedemütigt wird. Das Landeskriminalamt ermittelt zu dem Fall. Es werde geprüft, ob es sich bei der Aktion um eine Straftat handeln könnte, hiess es.
Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) nahmen Macron unterdessen in Schutz. «Er will nicht, dass Muslime im Westen gettoisiert werden und damit hat er recht», sagte der VAE-Staatsminister für Auswärtiges, Anwar Gargasch, der «Welt». Frankreich habe das Recht, nach Wegen zu suchen, um Muslime zu integrieren und Militanz zu bekämpfen. Der Kronprinz Abu Dhabis, Scheich Mohammed bin Said Al Nahjan, verurteilte in einem Telefonat mit Macron die Terroranschläge in Frankreich, wie die emiratische Agentur WAM meldete.
Unterstützung erhielt Macron auch von muslimischen Verbänden in Frankreich. «Da die Medien in Frankreich frei sind, kann kein politischer Anführer, auch nicht der Präsident der Republik, einem Medienunternehmen die Veröffentlichung oder Nichtveröffentlichung einer Zeichnung oder einer Karikatur vorschreiben», hiess es in einer Stellungnahme, die unter anderem von der Grossen Pariser Moschee und der Versammlung der Muslime in Frankreich unterzeichnet wurde. Frankreich sei in den vergangenen Wochen ungerechtfertigten Angriffen ausgesetzt gewesen.
Macron hatte am Wochenende in einem Interview mit dem arabischen Sender Al-Dschasira erneut die Pressefreiheit verteidigt. Frankreich bekämpfe den Terrorismus, der im Namen des Islam begangen werde - nicht aber den Islam selbst, sagte er. Nach drei Terrorangriffen in den vergangenen Wochen mit mehreren Toten hat die französische Regierung den Schutz von Schulen oder Gotteshäusern verstärkt. Dazu werden auch Soldaten der Anti-Terrormission «Sentinelle» eingesetzt.
Es gebe zwar keine gezielte Bedrohung gegen Schulen, sagte Innenminister Gérald Darmanin dem Sender BFM TV. Aber es gebe eine allgemeine terroristische Bedrohung. «Wir hatten drei Terroranschläge in einem Monat, es war eine Abfolge, die wir seit 2015 nicht mehr erlebt hatten», sagte Darmanin. Bereits Ende September hatte ein Angreifer zwei Menschen vor dem ehemaligen Büro des Satireblatts «Charlie Hebdo» verletzt - auch hier war das Motiv die Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen.