Friedlicher Protest in Belarus gegen Staatschef Lukaschenko
Seit Ende der Präsidentschaftswahlen gibt es ein Belarus (Weissrussland) gegen den Staatschef Lukaschenko Proteste. Auch am Samstagnachmittag gingen sie weiter.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Proteste in Belarus gehen weiter.
- Am Samstag versammelten sich erneut Zehntausende Menschen auf den Strassen.
- Alexander Lukaschenko zeigt sich unbeeindruckt und nahm Kontakt mit Putin auf.
Menschenketten, Streiks, Trauerkundgebungen: Zehntausende Menschen haben in Belarus (Weissrussland) erneut gegen die mutmasslich gefälschte Wiederwahl von Staatschef Alexander Lukaschenko protestiert. Landesweit gingen die Demonstranten am Samstag in etlichen Städten auf die Strasse. Die grösste Menschenmenge versammelte sich in der Hauptstadt Minsk und gedachte eines Demonstranten, der bei einer Protestaktion getötet worden war.
Unterdessen liess sich der Präsident des Rückhalts im Moskauer Kreml versichern. Zugleich drohte er den Demonstranten. In dieser Woche war die Polizei schon teils sehr brutal gegen sie vorgegangen, mindestens 7000 Menschen wurden nach Behördenangaben festgenommen.
Lukaschenko regiert das Land seit einem Vierteljahrhundert mit harter Hand. Nun hatte er sich zum sechsten Mal in Folge als Wahlsieger ausrufen lassen. Viele Menschen und auch ausländische Beobachter bezweifeln das aber und halten Swetlana Tichanowskaja für die eigentliche Gewinnerin. Die Oppositionspolitikerin hatte aus ihrem Exil im EU-Land Litauen zu neuen Massenaktionen aufgerufen.
2000 inhaftierte Demonstranten freigekommen
Am Freitag waren mehr als 2000 festgesetzte Demonstranten freigekommen. Angaben zu weiteren Freilassungen lagen am Samstag zunächst nicht vor. Viele Betroffene berichteten von Misshandlungen im Gefängnis. Demonstranten zeigten bei den Kundgebungen am Samstag Bilder von Verletzungen am Körper, etwa grosse Blutergüsse.
Lukaschenko sieht die Proteste nicht nur als «Bedrohung» für Belarus, sondern auch für Russland. «Ich möchte sagen, dass die Verteidigung von Belarus heute nicht weniger ist als die Verteidigung unseres gesamten Gebiets, des Unionsstaats.» Dies sagte der 65-Jährige der Staatsagentur Belta zufolge.
Erstmals seit der Wahl am Sonntag telefonierte Lukaschenko mit Kremlchef Wladimir Putin. Lukaschenko sagte danach, Russland werde auf seine Bitte hin «umfassende Hilfe» leisten, um die Sicherheit zu gewährleisten. Moskau hatte zuvor nichts von einer möglichen Unterstützung mitgeteilt.
Der Kreml teilte danach lediglich mit, beide Seiten seien zuversichtlich, dass die Probleme bald gelöst werden. Sie sollten nicht von «destruktiven Kräften» ausgenutzt werden, um die Zusammenarbeit beider Länder zu beeinträchtigen. Belarus ist wirtschaftlich von Russland abhängig.
Ukraine ärgert sich über Freilassungen
Minsk hatte am Freitag 33 russische «Söldner» freigelassen, die nach Darstellung der Behörden Unruhe vor der Wahl stiften wollten. Die Ukraine ist wegen der Freilassung nun verärgert, weil sie selbst gegen einige Männer ermitteln wollte. Der Vorwurf: Sie sollen im Konflikt in der Ostukraine die Separatisten unterstützt haben.
Eine Revolution wie 2014 im Nachbarland Ukraine will Lukaschenko mit allen Mitteln vermeiden. «Wir lesen bereits die Anleitungen für eine farbige Revolution», behauptete er. «Wir dürfen uns nicht von den friedlichen Aktionen und Demonstrationen einlullen lassen», so der Staatschef. Er verwies erneut auf die Stärke seines Militärs, ohne aber mit einem Einsatz direkt zu drohen.
Streiks in Staatsbetrieben
Das Ausland, aber auch Künstler, Kirche und Musiker in Belarus selbst riefen den Staatsapparat zum Gewaltverzicht auf. Die weissrussische Rockband BI-2 etwa schrieb bei Telegram: «Leute, hört endlich auf, Eure eigenen Leute zu schlagen.»
In den Staatsbetrieben legen immer mehr Mitarbeiter aus Wut über das Vorgehen der Behörden die Arbeit nieder. Das könnte die Wirtschaft des Landes schwer schaden. Lukaschenko wird deshalb nicht müde, genau davor zu warnen. Am Montag will er den staatlichen Lastwagen-Bauer besuchen, wie er ankündigte.
An diesem Sonntagmittag sollen die Staatsbediensteten für Lukaschenko auf die Strasse gehen. Zwei Stunden früher als die Menschen, die den Staatschef nicht mehr als ihren Präsidenten sehen möchten.
Polizei hielt sich bei Protesten zurück
Sie versammelten sich auch am Samstag zum friedlichen Protest - den sechsten Tag in Folge. Sie bildeten Menschenketten, liessen Luftballons aufstiegen und zogen mit Blumen in den Händen durch die Strassen. Viele forderten auch Gespräche mit örtlichen Bürgermeistern ein. Die Polizei hielt sich anders als zu Beginn der Proteste zurück.
Emotionale Szenen spielten sich bei der Trauerfeier für einen getöteten Demonstranten in Minsk ab. Menschen knieten an der Unglücksstelle nieder und zündeten Kerzen an. «Belarus begräbt heute seinen Helden», meinte ein Demonstrant in einem Video im Nachrichtenkanal Telegram.
Neue Bilder lassen Zweifel aufkommen, ob der 34-Jährige tatsächlich durch einen eigenen Sprengsatz ums Leben kam. Ein Augenzeuge sagte dem Portal tut.by, der Mann sei am Montag auf die Polizisten zugelaufen, es habe keine Explosion gegeben. Fotos, die den Mann zeigen sollen, legen nahe, dass er angeschossen wurde.
Lukaschenko will keine Vermittler
Die EU hatte am Freitag angesichts der Gewalt in Belarus Sanktionen gegen Lukaschenkos Unterstützer auf den Weg gebracht. Das Aussenministerium in Minsk erklärte örtlichen Medien zufolge, Belarus wolle den Gesprächsfaden nicht abreissen lassen. Lukaschenko lehnte es zudem ab, dass das Ausland in seinem Land vermitteln könnte.
Offen war, ob die EU-Strafmassnahmen auch Lukaschenko direkt treffen werden. Die Parteichefin der Grünen, Annalena Baerbock, sprach sich dafür aus. «Deutschland und die EU dürfen nicht wegschauen», sagte sie bei einem Landesparteitag der nordrhein-westfälischen Grünen in Dortmund. «Man darf nie wegschauen bei Menschenrechtsverbrechen.»
Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen riefen Lukaschenko zu Neuwahlen auf. Unter Beteiligung internationaler Beobachter sollten auf transparente Weise freie und faire Präsidentschaftswahlen durchgeführt werden. Dies hiess es in einer gemeinsamen Erklärung der drei Regierungschefs.