Gewerkschaft: 300.000 Franzosen protestieren gegen «soziale Not»
Zehntausende Menschen sind in Frankreich einem Aufruf der Gewerkschaft CGT zu einem Aktionstag gegen «soziale Not» gefolgt.

Das Wichtigste in Kürze
- Gewerkschafter und «Gelbwesten» demonstrieren erstmals gemeinsam.
Den Protesten der Gewerkschafter mit ihren roten Westen und Flaggen schlossen sich am Dienstag in Paris und anderen Städten erstmals auch Vertreter der «Gelbwesten» an, die den Gewerkschaften bisher skeptisch gegenüberstanden. Die CGT sprach am Abend von 300.000 Teilnehmer an den landesweiten Protesten. Gesamtzahlen der Polizei lagen zunächst nicht vor.
In Paris gingen mehrere tausend Menschen auf die Strasse - wobei die Angaben von CGT und Polizei deutlich auseinandergingen: Die CGT sprach von 30.000, die Polizei von 18.000 Teilnehmer.
Die Demonstranten forderten höhere Löhne und Gehälter und eine Wiedereinführung der Vermögensteuer, die unter Präsident Emmanuel Macron weitgehend abgeschafft worden war. Der Eiffelturm blieb für Touristen geschlossen, da sich Mitarbeiter an der Kundgebung beteiligten.
In Marseille im Süden des Landes zählte die Präfektur rund 5200 Demonstranten, in Lyon in Ostfrankreich beteiligten sich 4300 Menschen. Auch in Strassburg, Caen, Le Havre, Clermont-Ferrand, Tours und anderen Städten gab es grössere Kundgebungen. Dominiert wurden die Märsche von der CGT, doch befanden sich unter den Demonstranten auch hunderte «Gelbwesten».
CGT-Chef Philippe Martinez sprach von einem Erfolg. «Hier sind viele 'Gelbwesten', und das ist gut so», betonte er. «Bis auf die Farbe der Westen sehe ich nicht viele Unterschiede.»
Die CGT fordert unter anderem höhere Löhne und Gehälter und mehr Steuergerechtigkeit. Dem Appell hatten sich auch mehrere andere Gewerkschaften und die Linkspartei La France Insoumise (Das unbeugsame Frankreich) angeschlossen. Auch Studenten und Mitglieder des globalisierungskritischen Netzwerks Attac beteiligten sich.
Die «Gelbwesten»-Bewegung konnte mit ihrem Ruf nach einem Rücktritt Macrons zuletzt mehr Demonstranten mobilisieren als die Gewerkschaften. Am vergangenen Samstag waren landesweit fast 60.000 Menschen ihrem Aufruf gefolgt. Allerdings ist die Beteiligung rückläufig: Zum Start der Protestbewegung waren es Mitte November noch mehr als 280.000 gewesen.
Unter dem Eindruck gewaltsamer Zwischenfälle bei den «Gelbwesten»-Demonstrationen billigte das Parlament unterdessen verschärfte Sanktionen gegen mutmassliche Gewalttäter und Vermummten. Die Nationalversammlung stimmte dem Entwurf am Dienstag in erster Lesung mit 387 gegen 92 Stimmen zu. Rund 50 Abgeordnete der Partei La République en Marche (Die Republik in Bewegung) von Präsident Emmanuel Macron enthielten sich.
Nach der Novelle können Präfekten ohne richterliche Grundlage erstmals Demonstrationsverbote gegen alle aussprechen, «die eine besonders schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung» darstellen. Bei Zuwiderhandlung drohen den Demonstranten sechs Monate Haft und eine Geldstrafe von 7500 Euro. Das «Anti-Randalierer-Gesetz» sieht zudem ein Vermummungsverbot vor.
Der Entwurf stösst vor allem beim linken Flügel von Macrons Partei auf scharfe Kritik. Gegner warnen vor Demonstrationsverboten gegen Regierungskritiker und massivem Missbrauch, sollten eines Tages Rechtspopulisten an die Macht kommen. Auch Macron-nahe Rechtsexperten und eine Polizeigewerkschaft sind gegen die Pläne.
Der von Konservativen beherrschte Senat, von dem die Gesetzesverschärfung ursprünglich ausging, hatte bereits im Oktober in erster Lesung zugestimmt. Im März ist dort die zweite Lesung geplant.