Bei Lufthansa-Ferienflieger Discover drohen neue Streiks wegen eines Tarifstreits zwischen drei Gewerkschaften.
Discover Airlines
Beim Lufthansa-Tochter Discover kam es zu den ersten Flugausfällen kurz nach dem Streikbeginn. (Archivbild) - Discover Airlines/dpa

Beim Lufthansa-Ferienflieger Discover drohen neue Streiks, weil sich drei Gewerkschaften um die tarifliche Vertretung der 1900 Beschäftigten streiten. Die Vereinigung Cockpit (VC) für die Piloten und Ufo für die Flugbegleiter wollen einen in der vergangenen Woche abgeschlossenen Tarifvertrag ihrer vermeintlich kleineren Konkurrenzgewerkschaft Verdi überflüssig machen. Die im Konzern etablierten Gewerkschaften haben ihre Mitglieder bei der Discover zu Urabstimmungen über Arbeitskämpfe aufgerufen, um eigene Tarifwerke durchzusetzen. Der grundlegende Konflikt bei dem kleinen Ferienflieger könnte sich schnell auch auf andere Gesellschaften des Konzerns ausweiten.

Erst einmal muss der Ausgang der Urabstimmungen abgewartet werden, die am kommenden Mittwoch (21. August) ausgezählt werden. Bei einer Zustimmung der Mitglieder sind ab sofort Streiks auf den Flügen der Gesellschaft Discover Airlines möglich. Diese startet mit 27 Flugzeugen von München und Frankfurt zu verschiedenen Ferienzielen in Europa und Übersee.

Einzelheiten nicht bekannt

Einzelheiten nennen die Gewerkschaften aus taktischen Gründen derzeit nicht. Klar ist nur, dass sie ihre Aktionen aufeinander abstimmen wollen. Auch unbefristete Ausstände und Solidaritätsstreiks etwa bei der Kerngesellschaft des Konzerns wollen die Gewerkschaften nicht ausschliessen.

Die Forderungen der VC und Ufo unterscheiden sich nach deren eigenen Angaben nicht wesentlich von dem, was Verdi abgeschlossen hat. Das liege nicht zuletzt daran, dass Verdi die bereits ausverhandelten Verträge ihrer Konkurrenten abgeschrieben habe, sagt Ufo-Tarifexperte Harry Jaeger. Der Verdi-Tarifvertrag sei innerhalb weniger Tage von einer ad hoc einberufenen Tarifkommission abgeschlossen worden.

«Da ist eine nicht legitimierte Arbeitnehmervertretung vom Management ins Amt gehoben worden.» Es komme im konkreten Fall weniger auf die unterschiedlichen Inhalte an als auf die Frage, mit wem ein Vertrag abgeschlossen werde, sagt VC-Chef Andreas Pinheiro. Ein «nachhaltiger» Tarifvertrag könne nur mit einer Gewerkschaft geschlossen werden, die auch künftig mächtig genug sei, eigenständige Verträge abzuschliessen.

Lohnsteigerungen zwischen 16 und 38 Prozent

Neben regelmässigen Lohnsteigerungen für beide Berufsgruppen bis Ende 2027 zwischen 16 und 38 Prozent enthält der Vertrag etliche Regelungen zu Zulagen und Arbeitszeitregelungen, betrieblicher Altersvorsorge oder Hilfen beim Verlust der Fluglizenz. Für die eigenen Mitglieder hat Verdi einen verlängerten Kündigungsschutz sowie ein zusätzliches halbes Monatsgehalt festgehalten. Das Unternehmen sieht auch nach den Protesten keinen Anlass zu handeln.

«Wir haben mit Verdi einen Sozialpartner und eine abgeschlossene Tarifierung. Unser Fokus liegt jetzt darauf, dass der Tarifvertrag umgesetzt wird und wirken kann», erklärt ein Sprecher. Discover-Chef Bernd Bauer hatte den Abschluss als wichtigen Meilenstein bezeichnet, für den man an die Grenzen der wirtschaftlichen Belastbarkeit gegangen sei.

Lufthansa: Freiwillige Zählung nicht Sache des Arbeitgebers

Derzeit liegen keine konkurrierenden Tarifverträge vor. Daher kann auch nicht nach dem Tarifeinheitsgesetz notariell festgestellt werden, welche Gewerkschaft im Betrieb mehr Mitglieder hat und dann den Tarifvertrag abschliessen dürfte. Eine freiwillige Zählung sei nicht Sache des Arbeitgebers, ist bei Lufthansa zu hören.

Letztlich müssten die Gewerkschaften freiwillig ein gemeinsames Verfahren in Gang setzen. Damit ist aber nicht zu rechnen, zumal keine der drei beteiligten Gewerkschaften Angaben zum eigenen Organisationsgrad macht. Ufo und VC geben sich gleichermassen zuversichtlich, eine breite Zustimmung ihrer Mitglieder für den Arbeitskampf zu erhalten.

Immerhin drei Runden Pilotenstreiks sind im Winter aber folgenlos verpufft. Auch im Fall einer Ablehnung werde man natürlich das Votum respektieren, sagen die Vorsitzenden Pinheiro und Joachim Vázquez-Bürger. Es scheint auch denkbar, dass Beschäftigte zu Verdi übertreten, um deren ausgehandelte Mitgliedsprivilegien zu erhalten. Es winken ein halbes Monatsgehalt und ein im Krisenfall um sechs Monate verlängerter Kündigungsschutz.

Klima deutlich schlechter

Verdi-Verhandlungsführer Marvin Reschinsky berichtet bereits von zahlreichen Neueintritten. Ufo-Chef Vázquez-Bürger sagt ganz klar: Es gehe um den Einfluss der Fachgewerkschaften auf die weitere Strategie des Lufthansa-Konzerns. Schon jetzt habe sich das Klima deutlich verschlechtert.

Neben der Discover fliegt im Lufthansa-Verbund seit diesem Jahr die neue, noch nicht tarifierte Gesellschaft City Airlines Kurz- und Mittelstrecken. Sie soll bis 2027 die bisherige Regionaltochter Lufthansa Cityline ersetzen und zusätzlich Flüge der weit teureren Lufthansa Classic übernehmen. Lufthansa-Chef Carsten Spohr erhöht mit den günstigeren Töchtern im eigenen Haus den Kostendruck auf die teure Stammbelegschaft.

Bei der City Airlines befürchten VC und Ufo ein ähnliches Vorgehen des Lufthansa-Managements wie jetzt bei der Discover. Verdi hat bereits erklärt, auch bei der anderen Tochter als Tarifpartner zur Verfügung zu stehen. Ob die DGB-Gewerkschaft aus Konzernsicht letzten Endes handzahmer agieren wird als die Spartengewerkschaften, ist offen. Bei Eurowings und beim Bodenpersonal des Lufthansa-Konzerns hat Verdi zuletzt mit etlichen Warnstreikaktionen hohe Gehaltssteigerungen durchgesetzt.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

GewerkschaftEurowingsStreikLufthansa