Studie: Gleichberechtigung in Deutschland verbessert sich
Gleichberechtigung ist ein zentrales Anliegen des Weltwirtschaftsforums. Seit 2006 untersucht die Organisation die globale Entwicklung. In diesem Jahr gibt es durchaus Fortschritte. Doch unterm Strich bleibt viel zu tun.
Das Wichtigste in Kürze
- Mehr Frauen in der Politik, aber weiter zu wenige in der Wirtschaft: Das Weltwirtschaftsforum (WEF) hat Deutschland unterm Strich Fortschritte bei der Gleichberechtigung bescheinigt.
Zugleich forderte die Organisation in ihrer Studie «Global Gender Gap Report 2020» rasche Schritte, um die Geschlechterlücke bei Managementpositionen und Gehältern zu schliessen. Im globalen Ranking legte Deutschland im Vergleich zum Vorjahr um vier Plätze zu und ist nun Zehnter. Beim ersten Ranking 2006 stand die Bundesrepublik noch auf Platz 5.
Insgesamt werde es beim aktuellen Tempo noch etwa ein Jahrhundert dauern, bis die Gleichberechtigung weltweit abgeschlossen ist, so das WEF. «Das ist ein Zeitrahmen, den wir in der globalisierten Welt einfach nicht akzeptieren können», schrieb WEF-Gründer Klaus Schwab. «Am Vorabend der 2020er Jahre muss es das Ziel globaler und nationaler Anführer sowie von Top-Managern sein, eine fairere und inklusivere Wirtschaft aufzubauen.»
Ohne die gleichberechtigte Einbeziehung der Frauen - «der Hälfte des weltweiten Talents» - könnten weder die Volkswirtschaften zum Wohle Aller wachsen noch die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen erreicht werden, betonte Schwab.
Vor allem wegen einer stärkeren politischen Beteiligung von Frauen ist die Gleichberechtigung in Deutschland nach Ansicht des WEF vorangekommen. Dazu trage auch bei, dass mit Kanzlerin Angela Merkel weiter eine Frau an der Regierungsspitze steht. Mittlerweile seien 40 Prozent der Ministerposten in Bund und Ländern mit Frauen besetzt, heisst es in der am Dienstag veröffentlichten Studie. Weiterhin seien aber nur 30,9 Prozent der Parlamentarier Frauen.
Gross seien nach wie vor die Unterschiede zwischen den Geschlechtern hierzulande aber in der Wirtschaft: Dafür sei eine schnelle Reduzierung der Gehalts- und Einkommenslücke notwendig, forderte das WEF. Auch eine längere Elternzeit für Väter würde zur Geschlechtergerechtigkeit beitragen.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) forderte angesichts der Studie gesetzliche Konsequenzen. «Es ist nicht akzeptabel, dass Frauen nur deshalb nicht zum Zuge kommen, weil sich traditionelle Vorstellungen darüber halten, wie Führungsetagen auszusehen haben», sagte sie dem «Redaktionsnetzwerk Deutschland» (RND). Die gesetzlich vorgeschriebene Geschlechterquote in Aufsichtsräten habe gezeigt, dass staatliche Regulierung an dieser Stelle funktioniere. «Das Vorurteil, dass es nicht genügend qualifizierte Frauen gebe, hat sich nicht bestätigt. Deswegen müssen wir jetzt auch über eine Quote für die Vorstände nachdenken.»
In dem WEF-Ranking landete zum elften Mal in Folge Island auf der Spitzenposition. Das Land habe die Lücke zwischen Männern und Frauen mittlerweile zu fast 88 Prozent geschlossen, urteilte das WEF. In Deutschland sind es demnach 78,7 Prozent. In den Bereichen Bildung und Gesundheit sei die Gleichberechtigung hierzulande fast vollständig erreicht. Auf Platz zwei und drei im Ranking landeten Norwegen und Finnland.
Weltweit habe es im Vergleich zum Vorjahr durchaus Fortschritte gegeben, betonte das WEF. Die Organisation untersuchte für den jährlichen Bericht in 153 Staaten - vier mehr als im Vorjahr - vier Bereiche: Wirtschaft - etwa Gehälter und Chancen auf Führungspositionen -, Zugang zu Bildung, politische Mitwirkungsmöglichkeiten sowie Gesundheit, etwa Lebenserwartung.
Die grössten Probleme gebe es weiter in der Politik, auch wenn die Zahl der weiblichen Abgeordneten in vielen Ländern zugelegt habe. Allerdings hielten Frauen nur ein Viertel (25 Prozent) der 35 127 Parlamentssitze und nur ein gutes Fünftel (21 Prozent) der 3343 Ministerämter.
Doch auch in der Wirtschaft und bei der Bildung gebe es Aufholbedarf. So stagniere der Anteil der Frauen am Arbeitsmarkt: Lediglich gut die Hälfte (55 Prozent) der erwachsenen Frauen habe einen Job, bei den Männern seien es mehr als drei Viertel (78 Prozent). Auch die Gehalts- und Einkommenslücke bleibe gross. Weltweit seien zehn Prozent der Mädchen und jungen Frauen im Alter von 15 bis 24 Jahren Analphabeten, vor allem in Entwicklungsländern.