Google kauft erstmals Inhalte bei Zeitungsverlagen ein
Wenn Inhalte von Verlagen bei Google News oder in der Google Suche auftauchen, bezahlt der Internet-Konzern bislang mit dem Traffic, der auf die Verlagsseiten geleitet wird. Künftig wird Google für umfangreichere Inhalte auch seine prall gefüllten Kassen öffnen.
Das Wichtigste in Kürze
- Google wird erstmals in seiner Geschichte mit Zeitungsverlagen Lizenzverträge abschliessen und Geld für die Präsentation von journalistischen Inhalten ausgeben.
Das kündigte der Internet-Konzern in einem Blog-Eintrag an. Die Inhalte sollen auf Google News und Google Discover erscheinen. Wie die Präsentation der Inhalte für die Nutzer genau aussehen wird, teilte Google noch nicht mit.
Das Programm startet in Deutschland, Australien und Brasilien. Hierzulande sind in der frühen Phase unter anderen die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» und «Der Spiegel» als Partner dabei.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur werden die Verlagsinhalte vom Oktober an bei Google News und dem Android-Newsfeed Google Discover zu sehen sein. Bislang hatte sich Google hartnäckig geweigert, Inhalte bei Zeitungsverlagen und anderen Medien einzukaufen und sich bei manchen Medienhäusern wie Axel Springer grossen Ärger eingehandelt.
Wie viel Geld die Verlage für die Darstellung der Inhalte auf Google News und Google Discover bekommen werden, teilte Google nicht mit. Das Programm sei aber «breit und langfristig angelegt» und soll auf noch mehr Verlage - darunter auch kleinere Lokalzeitungen - sowie Radiostationen und TV-Sender ausgeweitet werden.
Carsten Knop, einer der Herausgeber der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», erklärte, man freue sich, dass Google die Gelegenheit nutze, gemeinsam an einem neuen Produkt zu arbeiten. «Dieses wird den Lesern der FAZ auf den Google-News-Plattformen einen echten Mehrwert bieten.»
Stefan Ottlitz, Geschäftsführer der Spiegel-Gruppe, sagte: «Diese interessante neue Partnerschaft mit Google versetzt uns in die Lage, unseren preisgekrönten Journalismus mit kuratierten Geschichten in ein neues Format einzubringen. So können wir unsere Reichweite erweitern und vertrauenswürdige Nachrichten in überzeugender Art und Weise über verschiedene Google-Produkte anbieten.»
Moritz Döbler, der Chefredakteur der «Rheinischen Post», sagte, es handele sich «nicht um eine Subvention durch Google, sondern um einen Gegenwert für wertvolle Inhalte». Sein Verlag werde das Projekt nutzen, um auf der Basis von Daten auszuprobieren, was bei den Anwendern gut ankomme. «Es ist eine Chance für uns, etwas Neues zu machen.»
Google-Manager Brad Bender, der als Vice President die News-Produkte des Konzerns leitet, betonte in seinem Blog-Post die Bedeutung der klassischen Medien: «Eine vitale Verlags- und Nachrichtenbranche war vermutlich nie wichtiger als heute, in einer Zeit, in der Menschen nach Informationen suchen, auf die sie sich inmitten einer globalen Pandemie oder angesichts der jüngsten Proteste gegen Diskriminierung verlassen können.» Dies passiere jedoch zu einer Zeit, in der das Geschäft der Branche erheblich unter Druck gerate.
Vor diesem Hintergrund werde Google Lizenzen über qualitativ hochwertige Inhalte für ein neues Nachrichtenformat erwerben. Das neue Programm werde den teilnehmenden Verlagen helfen, die Sichtbarkeit ihrer Inhalte durch ein verbessertes Storytelling-Erlebnis zu vergrössern. Durch das neue Format könnten Leser tiefer in anspruchsvolle Geschichten eintauchen, auf dem Laufenden bleiben sowie neue Themen und Interessen entdecken.
Bender liess den jahrelangen Streit zwischen der Verlagsbranche und Google unerwähnt. So hatte Google in Deutschland finanzielle Forderungen von Presseverlagen, die durch die Verwertungsgesellschaft VG Media erhoben wurden, für die Darstellung von kleineren «Snippets» - das sind kleine Auszüge von Texten - mehrfach zurückgewiesen. Ein erstes Leistungsschutzgesetz für Presseverlage war dann vom Europäischen Gerichtshof für ungültig erklärt worden.
Google zahlt nun im Rahmen der Initiative auch für den kostenlosen Zugriff von Nutzern auf kostenpflichtige Artikel auf der Website einzelner Verlage, wenn diese für ihre Inhalte eine «Bezahlschranke» einsetzen. So könnten diese Verlage ihre Reichweite vergrössern und den Nutzern die Möglichkeit geben, Inhalte zu lesen, die sie normalerweise nicht sehen.
Das Konzept stiess beim Medienkonzern Axel Springer auf Skepsis: Generell begrüsse und unterstütze Axel Springer Initiativen, die Verlagen dabei helfen, digitalen Journalismus als Geschäftsmodell zu stärken. «Deshalb arbeiten wir auch seit Jahren an verschiedenen Stellen mit Google und anderen Technologieunternehmen zusammen.»
Allerdings könne es einen vielfältigen und unabhängigen digitalen Journalismus nur geben, wenn die Verlagshäuser eine eigenständige Rechtsposition erhielten. «Dafür bleibt ein funktionierendes Publisher’s Right die Grundlage, denn es stellt sicher, dass gleiche sowie faire Wettbewerbsbedingungen entstehen und Verlage eine gesetzliche Grundlage für ihre Ansprüche haben.»
Einzelne Initiativen seien keine Lösung für das generelle Problem, erklärte ein Sprecher von Springer. «Der jetzige Vorschlag von Google scheint zwar vordergründig durch die Lizenzierung von Inhalten die Verlagshäuser zu unterstützen. Bei näherem Hinsehen hat er aber das Potenzial, die Medienvielfalt einzuschränken, da Google die Hoheit darüber behalten wird, mit welchen Verlagen Vereinbarungen geschlossen werden.»
Auch beim Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) stiess die Ankündigung von Google auf Vorbehalte. «Journalismus in verantwortlicher Absenderschaft braucht klare Rechte und keine Feigenblattaktionen», erklärte der Verband. Google nutze nach wie vor Inhalte von Verlagen und Journalisten, ohne zu zahlen, und setze - wie zuletzt in Frankreich - seine Marktmacht ein, wenn Schutzrechte das verhindern sollten. «Gegen dieses Verhalten sind robuste Rechte auch in Deutschland nötig.»
Die Verwertungsgesellschaft VG Media erklärte hingegen: «Dass Google nach jahrelanger Weigerung, für Presseinhalte zu zahlen, nun für die verschiedenen Verwertungen der Presseleistungsschutzrechte in ihrer Suchmaschine zahlt, ist ein Erfolg, über den wir uns uneingeschränkt freuen.» Dieser Erfolg wäre ohne europaweite Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger nicht möglich geworden. «Wir haben daher dem Beharrungsvermögen der Europapolitiker und ihren gesetzgeberischen Bemühungen zu danken.»