Heisser Sommer lässt Sterbefallzahlen steigen
Eine Datenauswertung zeigt: Es gibt einen Zusammenhang zwischen Extremtemperaturen und Übersterblichkeit. Steigende Temperaturen sind besonders gefährlich, weil die Bevölkerung immer älter wird.
Das Wichtigste in Kürze
- In den heissen Sommermonaten dieses Jahres sind in Europa überdurchschnittlich viele Menschen gestorben.
Die Todesfallzahlen für Deutschland liegen zwar über den Vorjahren, waren aber nicht so extrem wie zum Beispiel im Supersommer 2003.
Welche Rolle Corona bei den Todesfällen dieses Sommers spielt, ist unklar. Dass es einen Zusammenhang mit der Hitze gibt, ist unter Experten indes unbestritten. Die Befunde anderer Länder sind parallel.
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hatte für diesen Sommer ein Temperaturplus von 2,9 Grad im Vergleich zum Wert der international gültigen Referenzperiode 1961 bis 1990 vermeldet. Im Vergleich zum Zeitraum von 1991 bis 2020, in dem es bereits wärmer war, betrug die Abweichung plus 1,6 Grad.
Das Statische Bundesamt hat für die Deutsche Presse-Agentur die Todesfallzahlen für die Monate Juni bis August für die Jahre 2003 bis 2022 summiert. Dabei zeigt sich, dass in diesem Jahr 229.942 Menschen in diesen drei Monaten starben. 2021 waren es 224 696 Todesfälle gewesen - über 5000 weniger. Ausschläge nach oben zeigen die Jahre 2018, 2013, 2006 und 2003.
War es da besonders heiss?
Dafür sieht man sich am besten die Zahl der Hitzewarnungen an, sagt Andreas Matzarakis vom Zentrum für Medizin-Meteorologische Forschung des DWD. In den Jahren 2006 und 2018 zeigt sich tatsächlich eine Häufung von Tagen mit «starker Wärmebelastung». 2013 - ebenso wie 2010 und 2015 - gab es besonders viele Tage mit «extremer Wärmebelastung». Für 2003 liegen solche Daten nicht vor.
Dass es einen Zusammenhang zwischen Todesfällen und Hitze gibt, ist unter Experten unbestritten: «Insbesondere in höheren Altersgruppen kommt es infolge hoher Temperaturen regelmässig zu einem Anstieg der Mortalität», lautet das Kernergebnis einer Forschungsarbeit, an der das Zentrum für Medizin-Meteorologische Forschung des DWD, das Robert Koch-Institut und das Umweltbundesamt beteiligt waren. Für die Publikation wurden Daten von 1992 bis 2021 ausgewertet.
Dröselt man die Sterbefallzahlen für diesen Sommer auf, starben im Juni, Juli und August 8, 12 und 11 Prozent mehr Menschen als im Durchschnitt. Verglichen wurden dabei die laufenden Monate mit dem Mittelwert seit 2018. «Besonders erhöht waren die Sterbefallzahlen im bisherigen Sommer dabei in Kalenderwoche 29 vom 18. bis 24. Juli mit plus 24 Prozent», so die Statistiker.
Weitere Ursachen
Hitze ist allerdings nicht die alleinige Ursache: Zwar war es in der betreffenden Woche besonders heiss, aber auch die Zahl der Todesfälle mit oder wegen Corona hatte einen Ausschlag nach oben. «In welchem Ausmass Covid-19, die hohen Temperaturen und weitere Gründe zu den in diesem Sommer deutlich erhöhten Sterbefallzahlen beitragen, können erst die später vorliegenden Ergebnisse der Todesursachenstatistik zeigen», betonen die Statistiker.
In Bezug auf die Hitze liegen die Zusammenhänge jedoch auf der Hand: Das Herunterkühlen des Körpers belastet Herz und Kreislauf, Flüssigkeitsverlust führt zu Nierenversagen, um nur zwei Beispiele zu nennen. 2020 starben laut Statistischem Bundesamt allein knapp 3300 Menschen am sogenannten Volumenmangel. Damit hat sich die Zahl der Todesfälle durch Flüssigkeitsmangel innerhalb von 20 Jahren mehr als verachtfacht.
Allerdings betrifft Austrocknung besonders ältere Menschen und deren Zahl hat in den vergangenen 20 Jahren zugenommen. Der Anstieg der Krankenhausbehandlungen und Todesfälle wegen Hitzefolgen sei «somit teilweise auch altersbedingt», hiess es dazu im April in Wiesbaden.
Direkte Schäden durch Hitze und Sonne haben im Durchschnitt der vergangenen 20 Jahre zu jährlich 19 Todesfällen geführt, wie Destatis berichtete. Beispiele sind etwa Hitzschlag oder Sonnenstich. Weit über diesem Durchschnitt lag das Jahr 2015: Damals gab es 60 Todesfälle dieser Art - der Deutsche Wetterdienst hatte mehr als 17 Tage über 30 Grad gezählt. Auch 2003 war extrem mit 41 Todesfällen - damals war es an 19 Tagen über 30 Grad heiss.
Hitzewelle in Europa
Die Hitzewelle dieses Jahres hatte ganz Europa erfasst. Für Frankreich hat die nationale Statistikbehörde Insee zwischen dem 1. Juni und 22. August rund 11.000 Todesfälle mehr als im Vergleichszeitraum 2019 - dem letzten Jahr ohne Covid - registriert. Die Behörde vermutet, dass der Anstieg mit den drei Hitzewellen zusammenhängt.
In Italien registrierte die Statistikbehörde Istat allein im Juli insgesamt mehr als 62.000 Tote, das sind 20 Prozent mehr als in den Vergleichsmonaten der Vorjahre. Der Anstieg «dürfte grossteils auf die aussergewöhnlichen und andauernden Hitzewellen zurückzuführen sein, die in diesem Sommer unser Land und viele andere Länder Europas betroffen haben», schreibt Istat.
Besonders betroffen waren ältere Menschen. Laut einer Erhebung des italienischen Gesundheitsministeriums verzeichneten die grösseren Städte des Landes allein im Monat Juli einen Anstieg von knapp 29 Prozent an gestorbenen Einwohnern im Alter von mehr als 65 Jahren. Bei den Über-85-Jährigen war es sogar eine Zunahme von 38 Prozent.