Promis

Hochkonjunktur der Verschwörungen - und die Rolle von Promis

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Deutschland,

Selbst in den hintersten Winkeln Deutschlands gibt es Demos gegen die Corona-Massnahmen. Doch welche ideologischen Strategien stecken dahinter?

Erneute Corona-Demo in Pirna
Polizisten stehen am Rand einer Demonstration von Gegnern der Corona-Massnahmen auf dem Marktplatz in einer Seitenstrasse. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Derzeit gibt es viele Demonstrationen gegen die verordneten Kontaktsperren in Deutschland.
  • Der Kontrollverlust ist ein nahrhafter Boden für Verschwörungstheorien.
  • Promis sollten sich ihrer Rolle in der Gesellschaft bewusst sein.

«Xavier Naidoo ist aus einem Labor in Wuhan geflohen.» Mit einem solchen Plakat nahm zuletzt ein Gegendemonstrant die Teilnehmer einer sogenannten Hygiene-Demo in Hamburg auf die Schippe. In vielen Städten Deutschlands versammeln sich Menschen, die derzeit ihr Protest gegen die behördlich verordneten Kontaktsperren auf die Strasse treibt.

In zurückhaltende Worte verpackt, prasselt es dort mitunter von den Bühnen herunter, dieses krude Dickicht aus Obskuritäten: Dann ist von Mundschutz als Symbol eines Maulkorbs die Rede, von staatlich verordneter Zwangsimpfung oder der Abschaffung des Grundgesetzes. Bill Gates wird wegen seines Einsatzes für die weltweite Gesundheitsvorsorge zum Super-Bösewicht stilisiert. Das sind durchweg Falschbehauptungen und vollkommen unbelegte Thesen.

Sind also bei den Demos nur Verschwörungstheoretiker unterwegs? Die Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl kann schwer einschätzen, wer dort genau mitläuft. «Doch indem man daran teilnimmt, legitimiert man Verschwörungsideologien», gibt sie zu bedenken.

Kontrollverlust

Zudem blendeten die Demoteilnehmer die Gefährlichkeit des Virus vor allem für Alte und Kranke aus. «Da steckt ganz viel Egoismus und Narzissmus drin.»

«Die Einschläge kommen näher», sagt Pia Lamberty. Die Psychologin von der Uni Mainz beschäftigt sich seit Jahren mit solchen Mythen. «Wenn man keine Kontrolle über eine Situation hat, suchen sich manche Menschen Strukturen, um mit dem Kontrollverlust umzugehen.»

Verschwörungstheorien liefern oft genau solche einfachen Muster. Manche haben auch das Bedürfnis, sich selbst zu überhöhen – konkret: eine Information zu haben, wovon die grosse Masse nichts weiss.

Prominente müssen vorsichtig sein

Und auch Prominente sind davor nicht gefeit. Ideologien fallen auch bei ihnen auf fruchtbaren Boden. Damit ist aber nicht nur Sänger Xavier Naidoo gemeint, der mittlerweile tief in die ganz grossen Weltverschwörungskonstrukte eingetaucht ist.

Abseits davon irritieren Promis schon mit kleinen Äusserungen, die nicht auf Fakten fussen. «Die sind verantwortungslos», sagt Strobl. Wenn berühmte Menschen zum Beispiel etwas von Corona-Impfpflicht unken, ist das Wasser auf die Mühlen von Verschwörungsideologen. Denn bislang ist keinerlei Rede davon, dass eine Impfung gegen den Erreger Sars-CoV-2 verpflichtend sein soll.

Xavier Naidoo, Verschwörungstheorie
Xavier Naidoo ist ein grosser Fan von Verschwörungstheorien. - Bang

«Man muss sich seiner Rolle in der Gesellschaft bewusst sein», sagt Politikwissenschaftlerin Strobl. Stars hätten eine Verantwortung gegenüber Fans und Öffentlichkeit. Das sieht auch Psychologin Lamberty so: «Sie haben eine gewisse Autorität.»

Viele Menschen, die ihnen in den sozialen Medien folgten, vertrauten ihnen. Dementsprechend schenken sie auch eher den Dingen Glauben, die von Prominenten verbreitet werden. Über die Berühmtheiten wächst zudem die mediale Aufmerksamkeit. Fake News multiplizieren sich rasant.

Phänomen bleibt bestehen

Aktuell schlägt die grosse Stunde der Wissenschaftsfeinde und Impfgegnerinnen. Das Wesen von Verschwörungsideologien ist nach Strobls Erkenntnissen, dass sie sich an geänderte Situationen anpassen. In der Vergangenheit hätten Radikalisierungsprozesse Wochen gedauert. «Heute geschieht das in Tagen.»

Menschen verinnerlichten Versatzstücke aus den kruden Ideologien. Ein Zurück sei dann schwer möglich. So könne man zwar Naidoos Auftritte canceln, so Strobl. «Aber das Phänomen geht nicht weg.»

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