Holocaust-Gedenkstätte prüft Kriegsverbrechen in Ukraine
Die Holocaust-Gedenkstätte Babyn Jar will eine Untersuchung möglicher Kriegsverbrechen der russischen Armee in der Ukraine einleiten. Mit diesem Ziel sei eine Experteneinheit gegründet worden, teilte die ukrainische Gedenkstätte am Dienstag in Kiew mit.
An der Untersuchung solle auch der französische Priester Patrick Desbois vom Verein Yahad-In-Unum beteiligt sein.
Der von der katholischen Kirche Frankreichs und dem Jüdischen Weltkongress gegründete Verein hat sich in der Vergangenheit mit der Dokumentation des Holocaust befasst. Desbois hatte unter anderem in der Ukraine Tausende Gräber entdeckt.Einheit will Zeugenberichte sammelnIm gegenwärtigen Konflikt will die neue Einheit den Angaben zufolge «so viele gefilmte Zeugenberichte wie möglich von den Opfern dieser Verbrechen sammeln». Man wolle den Vorwurf untersuchen, dass Zivilisten - darunter Frauen, ältere Menschen und Kinder - ohne jegliche Verbindung zu militärischen Zielen zur Zielscheibe russischer Angriffe geworden seien.
«Die Stimmen der Zeugen müssen bewahrt werden, um sich den verübten Verbrechen entgegenzustellen», sagte Desbois. Bei der Untersuchung von Holocaust-Verbrechen habe sein Verein besondere Methoden entwickelt und mehr als 8000 Zeitzeugen befragt. «Ich hätte nie gedacht, dass ich im Jahre 2022 an diesem Ort wieder Kriegsverbrechen untersuchen muss», sagte Desbois. «Die Stimme eines Zeugen schreit zum Himmel und muss auch vom Internationalen Strafgerichtshof und Ländern wie Deutschland gehört werden.»
Am 29. und 30. September 1941 erschossen deutsche Einsatzgruppen mit Soldaten, Polizisten und SS-Männern in Babyn Jar (Altweiberschlucht) 33.771 jüdische Bewohner der besetzten Stadt. Bis zur Befreiung der ukrainischen Hauptstadt durch die Rote Armee im November 1943 wurden in Babyn Jar rund 100.000 Menschen ermordet. Die Schlucht gilt als das grösste Massengrab in Europa.