Über 800 Festnahmen bei Anti-Lukaschenko-Protesten in Minsk
Zu Tausenden trotzen die Menschen Belarus der Polizeigewalt und demonstrieren erneut gegen Machthaber Lukaschenko. Zu Hunderten finden sich friedliche Demonstranten in Polizeigewahrsam wieder. Aber sie wollen sich nicht brechen lassen.
Das Wichtigste in Kürze
- Uniformierte in Sturmhauben sind in Belarus (Weissrussland) in Hundertschaften gegen neue Proteste gegen Machthaber Alexander Lukaschenko vorgegangen.
Es gab Hunderte Festnahmen, wie das Menschenrechtszentrum Wesna auf seiner Internetseite spring96.org am Sonntag mitteilte.
Am späten Abend waren dort mehr als 800 Namen aufgelistet. Auf Videos und Fotos war zu sehen, wie Uniformierte teils ohne Erkennungszeichen friedliche Menschen in Minsk brutal auf den Boden drückten und in Gefangenentransporter zwängten.
An mehreren Stellen der Hauptstadt Minsk ging die Sonderpolizei OMON gegen Menschengruppen vor, die versuchten, sich im Zentrum zu versammeln. Wie jeden Sonntag waren Tausende Menschen auf den Strassen unterwegs. Auch in anderen Städten gab es Demonstrationen für einen Rücktritt Lukaschenkos. Dort gab es Wesna zufolge nur einzelne Festnahmen.
Die Metrostationen in Minsk waren über Stunden gesperrt, damit Demonstranten nicht ins Stadtzentrum gelangen konnten. Auch das mobile Internet war weitgehend abgeschaltet - so sollte die Verabredung von Protesten in der Stadt erschwert werden. Truppen sperrten mehrere Strassen - teils mit schwerer Technik.
Trotz des Demonstrationsverbots und der Gewaltandrohung der Behörden marschierten Menschenzüge auf mehreren Strassen der Stadt - mit den historischen weiss-rot-weissen Flaggen. Sie skandierten: «Lang lebe Belarus!». Die Behörden hatten eine Autokorso-Aktion der Unterstützer Lukaschenkos zugelassen, die Menschen schwenkten die rot-grünen Staatsfahnen.
«Die Macht gehört dem Volk!», teilte hingegen die Demokratiebewegung in Minsk mit. Die Bürgerrechtlerin Swetlana Tichanowskaja, die von der Bewegung als Siegerin der Präsidentenwahl vom 9. August angesehen wird, begrüsste, dass die Menschen ohne Furcht und mit Ausdauer gegen Lukaschenko um ihre Freiheit kämpften. «Schon seit 90 Tagen leisten wir Widerstand gegen Gesetzlosigkeit und Gewalt», sagte sie in ihrem EU-Exil.
Die Proteste der Demokratiebewegung dauern bereits seit drei Monaten an. Die Menschen fordern Lukaschenkos Rücktritt, ein Ende der Polizeigewalt gegen friedliche Demonstranten, die Freilassung aller politischen Gefangenen und eine Neuwahl. Bereits am Samstag waren bei Aktionen von Ärzten und medizinischem Personal sowie bei den traditionellen Frauenprotesten gegen Lukaschenko Dutzende Menschen festgenommen worden.
Lukaschenko hatte seine Gegner als «Ratten» bezeichnet. Er hat zudem angewiesen, dass Protestierende und Streikende in staatlichen Betrieben entlassen werden sollten. Nachdem Tausende das Land verlassen hatten, wies er die Behörden an, diese Menschen nicht wieder einreisen zu lassen. Juristen kritisierten dies als eklatanten Verstoss gegen die Verfassung des Landes.
Der 66-jährige Lukaschenko hatte sich mit 80,1 Prozent der Stimmen nach 26 Jahren an der Macht erneut zum Sieger erklären lassen. Seither lässt er die friedlichen Proteste unterdrücken. Es gab bereits mehrere Tote, Hunderte Verletzte und Tausende Festnahmen. Die EU erkennt Lukaschenko nicht mehr als Präsidenten an. Russland hingegen unterstützt ihn noch.