In turbulenten Zeiten: Führungswechsel bei deutschen Grünen

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Deutschland,

Seit die deutschen Grünen als Teil der «Ampel»-Koalition von Olaf Scholz Ende 2021 Regierungsverantwortung übernahmen, ging es für sie zumeist bergab.

Statement der Grünen-Parteivorsitzenden
Sie machen Platz für einen Neustart: Omid Nouripour und Ricarda Lang, die Co-Vorsitzenden der Grünen. Fabian Sommer/dpa - dpa

Es ist nur wenige Jahre her, da wurden die Grünen in Deutschland als neue Volkspartei gehandelt. Mit Umfragewerten stabil über 20 Prozent waren sie zweitstärkste politische Kraft hinter den Christdemokraten der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Doch seit die Grünen als Teil der «Ampel»-Koalition von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Ende 2021 Regierungsverantwortung übernahmen, ging es in Umfragen und Regionalwahlen zumeist bergab.

Genau sechs Wochen, bevor am 6. November die «Ampel»-Koalition zerbrach, hatten die Grünen-Co-Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour das Handtuch geworfen. Beim Parteitag an diesem Wochenende in Wiesbaden kandidieren die parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium Franziska Brantner und der Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak für deren Nachfolge. Wirtschaftsminister und Ex-Parteichef Robert Habeck möchte sich als Kanzlerkandidat für die vorgezogene Bundestagswahl aufstellen lassen, die voraussichtlich am 23. Februar stattfindet.

Das Wahljahr war eine Katastrophe

Das Wahljahr 2024 verlief für die deutschen Grünen unerfreulich. Bei der Wahl zum Europaparlament im Juni stürzten sie auf 11,9 Prozent ab, nach 20,5 Prozent bei der Wahl 2019. Bei den ostdeutschen Landtagswahlen im September flogen sie in Thüringen und Brandenburg aus dem Parlament, in Sachsen überwanden sie die Fünf-Prozent-Hürde nur ganz knapp und werden dort für die Regierungsbildung nicht mehr gebraucht. Statt zuvor an zehn, sind die Grünen künftig nur noch an 7 von 16 deutschen Landesregierungen beteiligt, was ihr Gewicht im Bundesrat, der Länderkammer, schwächt.

Als Gründe für das schwache Abschneiden gelten unter anderem die Energie- und die Migrationspolitik. Auf Habeck geht ein umstrittenes Heizungsgesetz zurück – zum Austausch alter Öl- und Gasheizungen durch solche, die zu 65 Prozent erneuerbare Energien verwenden. Der ursprüngliche Entwurf wurde zwar deutlich abgemildert, doch der Schreck vieler Hausbesitzer, die eine Kostenlawine auf sich zurollen sahen, sass tief.

In der Migrationspolitik stehen die Grünen traditionell für eine Politik offener Grenzen. Doch laut Umfragen ist die unkontrollierte Zuwanderung das Thema, dass die deutschen Wähler am meisten beunruhigt. Allgemein gelten die Grünen ausserdem – ob zu Recht oder zu Unrecht – als Partei der ideologischen Gängelung und weltanschaulichen Bevormundung.

Streitthema Migration

Das Thema Migration hat das Potenzial, die Partei zu spalten. So traten Ende September der Bundesvorstand der Grünen Jugend und mehrere Landesvorstände aus der Partei aus. Unter anderem warfen sie der Parteiführung vor, Verschärfungen des Asylrechts mitzutragen. Für Aufregung unter der Partei-Linken sorgte wiederum Agrarminister Cem Özdemir, der in einem Zeitungsbeitrag beklagte, seine Tochter werde häufiger «von Männern mit Migrationshintergrund unangenehm begafft oder sexualisiert.»

Partei-Linke warfen Özdemir vor, «rechten Narrativen hinterherzulaufen». Dagegen warnte der frühere Grünen-Politiker und -Vordenker Rolf Fücks davor, immer sofort «die Keule des antimuslimischen Rassismus» zu schwingen. «Es spielt der (rechtspopulistischen) AfD in die Hände, wenn real existierende Probleme von uns aus falscher Rücksichtnahme unter den Teppich gekehrt werden», sagte er in einem Interview der «Welt am Sonntag».

Özdemir will 2026 als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg antreten. Dort stellen die Grünen seit 2011 den deutschlandweit einzigen Ministerpräsidenten, Winfried Kretschmann, der sich aus Altersgründen zurückzieht. Insofern scheint die Kandidatur Özdemirs, der 1965 als Sohn türkischer Gastarbeiter in Baden-Württemberg geboren wurde, trotz derzeit schlechter Umfragewerte folgerichtig.

«Küchenkanzler Habeck»

Für Kopfschütteln und auch Spott sorgte hingegen die Kanzlerkandidatur Habecks, die der Bundeswirtschaftsminister Ende voriger Woche ankündigte. Denn mit Umfragewerten um 11 Prozent ist die Ökopartei derzeit nur viertstärkste Kraft in Deutschland hinter CDU/CSU, AfD und SPD. «Küchenkanzler Habeck», spottete das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel», weil Habeck in dem Video, mit dem er seine Pläne bekanntgab, an einem Küchentisch sitzt.

Womöglich wird auch eine geschrumpfte grüne Partei nach der Bundestagswahl im Februar wieder als Koalitionspartner benötigt, aber das ist ungewiss. Zumindest eine gute Nachricht hatte die Politische Geschäftsführerin der Partei, Emily Büning, am Dienstag zu verkünden: Seit dem Bruch der Ampel seien rund 5500 Menschen neu in die Partei eingetreten.

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