Irak: Proteste fordern fast 100 Tote
Bei Protesten im Irak starben bisher fast 100 Menschen. Die Regierung gerät nun zunehmend unter Druck.
Das Wichtigste in Kürze
- Bei blutigen Protesten im Irak starben bisher fast 100 Menschen.
- Die irakische Regierung gerät zunehmend unter Druck.
Korruption und Misswirtschaft sind im Irak weit verbreitet. Gleichzeitig klagen vor allem die Jüngeren über fehlende Jobs. Wut auf die Regierung und die politische Elite treibt sie auf die Strasse.
Die Zahl der Toten seit Beginn der Demonstrationen gegen Korruption und Misswirtschaft am vergangenen Dienstag stieg auf 93. Dies teilte die staatliche Menschenrechtskommission in Bagdad mit.
Fast 4000 Menschen wurden demnach verletzt. Die allermeisten Opfer seien Demonstranten gewesen. Sicherheitskräfte waren in den vergangenen Tagen immer wieder mit Tränengas und Schüssen gegen die Proteste vorgegangen.
Gespräche mit Demonstranten
Regierungschef Adel Abdel Mahdi hob eine Ausgangssperre auf, die er am Donnerstag verhängt hatte. In Bagdad kam es am Samstagnachmittag erneut zu Demonstrationen. Augenzeugen und Aktivisten berichteten, zwei Menschen seien im Zentrum der Hauptstadt getötet worden. Demonstranten hätten Autoreifen angezündet.
Das Internet blieb landesweit zunächst weiterhin grösstenteils unterbrochen. Eine Delegation des Parlaments habe sich mit 50 Vertreten der Demonstranten getroffen, um über deren Forderungen zu sprechen. Dies sagte der Abgeordnete Hassan Chalati der Deutschen Presse-Agentur.
UN-Generalsekretär António Guterres rief die Regierung und die Demonstranten zu einem Dialog auf. Alle Beteiligten müssten «äusserste Zurückhaltung» zeigen, erklärte er in New York.
Rücktrittsforderungen an Regierung wegen Irak Protesten
Der einflussreiche schiitische Geistliche Muktada al-Sadr forderte die Regierung zum Rücktritt auf und verlangte eine Neuwahl unter Aufsicht der UN. Angesichts des «rücksichtslosen Blutvergiessens» dürfe niemand schweigen, erklärte er nach Angaben irakischer Medien. Al-Sadrs Block hatte bei der Parlamentswahl im vergangenen Jahr die meisten Sitze gewonnen und die Regierung bislang unterstützt.
Aktivisten beklagten sich in sozialen Medien über den brutalen Einsatz der Sicherheitskräfte mit Tränengas und Schüssen. Im Internet und in irakischen Sendern waren Aufnahmen von Toten und Verletzten zu sehen. Auch Schüsse waren zu hören. Demonstranten blockierten Strassen und zündeten Reifen an.
Die Proteste richten sich gegen die im Irak weit verbreitete Korruption, politischen Stillstand und die Wirtschaftskrise. Getragen werden sie im wesentlichen von jungen Männern. Viele von ihnen klagen über fehlende Arbeitsplätze oder die schlechte Infrastruktur.
So gehört das Land weltweit zu den grössten Ölproduzenten, leidet aber unter einem akuten Strommangel. Bereits in den vergangenen Monaten war es immer wieder zu tagelangen Protesten gekommen.