Irland im Umbruch: Premier Leo Varadkar tritt zurück
Das Wichtigste in Kürze
- Knapp zwei Wochen nach den Parlamentswahlen im EU-Land Irland hat Regierungschef Leo Varadkar seinen Rücktritt erklärt.
Er bleibt aber geschäftsführend im Amt, bis ein neuer Premierminister und ein neues Kabinett ernannt sind, teilte die Regierung am Donnerstagabend in Dublin mit. Zuvor war es erwartungsgemäss keiner der drei grossen irischen Parteien gelungen, bei der Wahl des Regierungschefs ausreichend Stimmen zu bekommen.
Bei der Parlamentswahl am 8. Februar hatte die linksgerichtete Partei Sinn Fein überraschend die beiden etablierten bürgerlichen Parteien – Fine Gael sowie Fianna Fail – vom Thron gestossen. Damit wurden das Ende des Zwei-Parteien-Systems und ein politischer Umbruch in der Republik Irland eingeleitet. Fine-Gail-Chef Varadkar führte bislang eine von Fianna Fail tolerierte Minderheitsregierung an.
Bei der Wahl des Regierungschefs bekam Varadkar am Abend nur 36 der 80 nötigen Stimmen. Sinn-Fein-Chefin Mary Lou McDonald erzielte mit 45 das beste Ergebnis aller Kandidaten. Sie scheiterte aber ebenso wie Micheal Martin von der Fianna Fail, der 41 Stimmen erhielt.
Sinn Fein galt früher als politischer Arm der Untergrundorganisation IRA (Irisch-Republikanische Armee) und setzt sich für eine Wiedervereinigung Irlands ein. Lange Zeit wurde die Partei geächtet. Kritiker werfen Sinn Fein noch heute vor, dass an ihr Blut klebe. Varadkar schliesst eine Zusammenarbeit mit Sinn Fein aus.
Das Parlament vertagte sich für die kommenden zwei Wochen. «Es ist nun die Verantwortung von uns allen, eine gute Regierung und auch eine gute Opposition zu bilden», sagte Varadkar. Er hatte zuvor vor monatelangen Verhandlungen in der politischen Sackgasse gewarnt. Er will schon in den nächsten Tagen mit Martin und den Grünen sprechen.
Varadkar hatte im Wahlkampf auf das Thema Brexit gesetzt und sich damit verzockt. McDonald hingegen hatte ihrer Partei ein neues Image verpasst und mit sozialen Themen wie Wohnungskrise vor allem jüngere Wähler angesprochen. Sie kündigte an, die erste Premierministerin ihres Landes zu werden und vorzugsweise mit den kleineren linksgerichteten Parteien über eine Regierungsbildung zu sprechen.
Weder Fine Gael noch Fianna Fail erzielten bei der Wahl am 8. Februar genügend Stimmen, um eine Mehrheit zu haben. Fianna Fail gewann 38 Sitze im 160 Abgeordnete zählenden Parlament, Fine Gael erzielte 35. Sinn Fein seinerseits hatte nicht mit dem grossen Zuspruch gerechnet und zu wenig Kandidaten aufgestellt. So kommt die Partei nur auf 37 Mandate und ist zweitstärkste Partei.
Sollte es zu einer Regierungsbeteiligung von Sinn Fein kommen, dürfte die Forderung nach einem baldigen Referendum über die irische Wiedervereinigung in Dublin zur offiziellen Regierungslinie werden. Das würde auch die Brüsseler Verhandlungen mit London über die künftigen Beziehungen nach Ende der Brexit-Übergangszeit betreffen.