Italien steckt in «verrücktester Krise der Welt»

Chaos in Italien: Die beiden Regierungsparteien übertrumpfen sich mit gegenseitigen Anschuldigungen. Laut Ex-Premier Renzi die «verrückteste Krise der Welt».

Italien Krise Salvini Conte
Giuseppe Conte (l.), Ministerpräsident von Italien, und Innenminister Matteo Salvini. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Regierung Italiens befindet sich in einer schweren Krise.
  • Innenminister Matteo Salvini hofft auf Neuwahlen im Herbst.
  • Für Ex-Premier Matteo Renzi ist es die «verrückteste Krise der Welt».

Streit um Flüchtlinge, Misstrauensantrag gegen Ministerpräsident Giuseppe Conte und drohende Neuwahlen: Gerade mal 14 Monate nach ihrem Amtsantritt herrscht bei den beiden Regierungsparteien das Chaos. Die populistische Fünf-Sterne-Bewegung und die rechte Lega übertrumpfen sich derzeit mit gegenseitigen Anschuldigungen.

Für den italienischen Ex-Premier und Sozialdemokraten Matteo Renzi ist es die «verrückteste politische Krise der Welt». Der rasche Zusammenbruch der Regierung bezeuge, dass die Populisten «inkompetent und unfähig» seien. Dies sagte Renzi im Interview mit der französischen Tageszeitung «Le Monde».

Krise in Italien «präzedenzlos»

«Italien ist an Regierungsturbulenzen gewöhnt, doch jene, die Innenminister Matteo Salvini ausgelöst hat, ist präzedenzlos. Niemand hatte bisher eine Krise im Hochsommer ausgelöst, um sich die Verabschiedung des Etats zu ersparen», sagte der 44-Jährige. Er hat Italien zwischen 2014 und 2016 regiert.

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Matteo Renzi, ehemaliger Premierminister von Italien, spricht bei einer Pressekonferenz. - dpa

Salvini will bereits im Herbst Neuwahlen

Zum endgültigen Knall kam es vergangene Woche, als Salvini das aktuelle Regierungsbündnis platzen liess. Nun strebt die Lega ein Misstrauensvotum gegen Ministerpräsident Giuseppe Conte und Salvini Neuwahlen noch im Herbst an. Dadurch erhofft er sich, neuer Regierungschef zu werden.

Denn: Der Zeitpunkt für Neuwahlen könnte kaum idealer sein. Seine Lega ist in den Umfragen die mit Abstand populärste Partei in Italien. Seit dem Amtsantritt vor 14 Monaten ist die Beliebtheit der Lega stetig gestiegen. Dies liegt vor allem an Salvinis Kurs im Kampf gegen die Zuwanderung aus Nordafrika und private Seenotretter.

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Salvinis Regierungskrise spitzt sich weiter zu. - dpa

Doch noch läuft nicht alles nach seinem Plan. Die Fünf-Sterne-Bewegung und Renzis Demokratische Partei (PD) verhinderten diese Woche gemeinsam eine Debatte über den Misstrauensantrag.

Kritik an Politik der «geschlossenen Häfen»

Renzi kritisierte den bisherigen Einwanderungskurs der Regierung und Salvinis Politik der «geschlossenen Häfen». «Einen Menschen im Meer zu retten, darf kein Verbrechen sein. Das Problem ist, dass man Afrikas Entwicklung fördern sollte», betonte Renzi.

Einen schärferen Ton schlug Ministerpräsident Conte in einem auf Facebook veröffentlichten Brief ein. Salvini konzentriere sich zwanghaft auf die Migration und reduziere das Thema auf die Formel «geschlossene Häfen».

Dies tue er nur, um als Politiker an Zustimmung zu gewinnen. «Wenn wir wirklich unsere ‹nationalen Interessen› schützen wollen, können wir uns nicht darauf beschränken, Positionen der absoluten Unnachgiebigkeit zu vertreten.»

Ein Antwortschreiben liess nicht lange auf sich warten: «Ich bekenne mich zu meiner ‹Schuld›. Zu meiner ‹Besessenheit› bei der Bekämpfung aller Arten von Straftaten, der illegalen Einwanderung miteingeschlossen», schreibt er auf Facebook.

Wie weiter?

Innerhalb der Lega kommen allmählich Bedenken zu Salvinis Neuwahlplänen zum Vorschein. Die Partei könne am Ende in der Opposition landen, warnte Staatssekretär Giancarlo Giorgetti.

Denn: Renzi bekräftigte seine Forderung nach einer Übergangsregierung aus seiner PD und der populistischen Fünf Sterne-Bewegung. Es gibt mittlerweile Annäherungen zwischen den beiden Parteien: Sie hätten rechnerisch eine Mehrheit im Unterhaus und könnten eine Regierung bilden.

Dies sei notwendig, um im Herbst den Haushaltsvoranschlag zu verabschieden. Bis Oktober muss er nämlich der EU-Kommission präsentiert werden.

Letztlich kann Staatspräsident Sergio Mattarella entscheiden, wie es in Italien politisch weitergeht. Nur er kann das Parlament auflösen und Neuwahlen anordnen. Er kann aber auch den Auftrag erteilen, ohne Neuwahl eine neue Mehrheit zu suchen und eine Regierung zu bilden.

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