Coronavirus: Siebtes Todesopfer in Italien
Das Wichtigste in Kürze
- Wegen des Coronavirus sind in vielen Städten Italiens die Regale der Supermärkte leer.
- Mindestens sieben Menschen sind bisher gestorben.
- Nun reagieren auch Altersheime und Firmen im Tessin.
- Täglich pendeln im Schnitt über 66'000 Grenzgänger ins Tessin zur Arbeit.
In Italien ist ein 62-jähriger Mann aus Castiglione d'Adda an den Folgen des Coronavirus gestorben. Dies berichtet der «Corriere della Sera». Er verstarb im Krankenhaus von Como nahe der Schweizer Grenze. Es ist das siebte Opfer des Virus in Italien.
Verunsicherung im Tessin
Das in Norditalien grassierende Coronavirus sorgt auch bei der Tessiner Bevölkerung für Verunsicherung.
Am Wochenende forderte Lega-Nationalrat Lorenzo Quadri die Schliessung der Grenze zu Italien. Den Grenzgängern, die im Dienstleistungssektor arbeiten, solle der Zugang verweigert werden. Doch wie viele Grenzgänger arbeiten eigentlich im Tessin?
Laut Bundesamt für Statistik waren es 2019 täglich durchschnittlich über 66'000, davon knapp zwei Drittel im Dienstleistungssektor. Allein im Gesundheitswesen sollen letztes Jahr täglich rund 2350 Menschen von Italien aus zur Arbeit erschienen sein. Im gesamten Gesundheits- und Sozialwesen waren es durchschnittlich etwas mehr als 4000 Personen.
Auch sonst hat der Ausbruch in Italien Auswirkungen auf das Tessin. Während in den Spitälern im Tessin Patienten mit Grippe isoliert werden, reagieren auch Altersheime und erste Firmen.
Schutz-Masken in Chiasso seit Wochen ausverkauft
Die Geschäfte im Tessin spüren die Angst vor dem Coronavirus deutlich. In der Apotheke in Chiasso, direkt an der Grenze zu Italien, sind die Schutzmasken schon seit zwei Wochen ausverkauft, wie die Apothekerin gegenüber Nau.ch erklärt.
Im italienischen Como, gleich hinter der Grenze, sind an den Schaufenstern der Apotheken Schilder angebracht, die darauf hinweisen, dass die Masken nicht mehr zu haben sind – so gross war der Andrang in den letzten Tagen.
Auch Schindler reagiert
«Schindler hat seine Mitarbeiter gebeten, Reisen nach und von Italien aufgrund der anhaltenden Coronavirus-Situation zu vermeiden», sagt Schindler-Mediensprecherin Carolyn Pike auf Anfrage. Und: «Mitarbeiter, die kürzlich die betroffenen Gebiete in Norditalien besucht haben, werden gebeten, eine 14-tägige Selbstquarantäne einzuhalten.»
Die Firma würde ihre Mitarbeiter in Europa ermutigen, «alle nicht wesentlichen Reisen zu verschieben». Schindler hat in Locarno Büros.
Das Wohn- und Pflegezentrum Tertianum Comacini an der Schweizer Grenze in Chiasso hat heute Montag eine Schutzmasken-Pflicht für Besucher eingeführt. Für Gäste sowie für die Mitarbeiter sei zudem zentral, die Hände regelmässig zu desinfizieren, erklärt Alain Gozzer von Tertianum auf Anfrage.
Der Umgang mit Viren wie dem Coronavirus gehöre bei Tertianum zu den Standardprozessen. Die Pflegemitarbeitenden seien entsprechend geschult.
«Wir gehen mit dem Coronavirus nicht anders um als mit anderen Viren. Wir haben die uns vorliegenden Konzepte bei unseren Mitarbeitenden vor mehreren Wochen in Erinnerung gerufen und appellieren bei Mitarbeitenden und Gästen insbesondere an die empfohlenen Hygienemassnahmen», sagt Alain Gozzer.
Leere Regale in Supermärkten
In Norditalien ist die Lage schon viel ernster. Im italienischen Mailand und anderen Städten stehen Supermarkt-Kunden momentan vor leeren Regalen. In vielen Läden sind vor allem Desinfektionsgele und Atemmasken ausverkauft.
Der Coronavirus-Effekt wirkt sich nun auch auf die Lebensmittelgeschäfte aus. Wie «ticinonline» berichtet, sind die Warteschlangen an den Kassen momentan lang und die Läden am Ende des Tages praktisch leergekauft.
Attilio Fontana, Regionalpräsident der Lombardei, sprach sich gegen Hamsterkäufe aus. «Der Wettlauf um Lebensmittel hat keinen Sinn. Die Lieferungen sind gesichert», sagte er.
Mindestens sieben Tote in Italien
Italien ist der grösste Infektionsherd des neuartigen Virus in Europa. Mehr als 200 Ansteckungsfälle wurden dort bisher nachgewiesen, wie «La Repubblica» am Montagmorgen schreibt. Die meisten der Infizierten gibt es in der Lombardei.
Mindestens sieben Menschen starben an der Infektion. Bei den Todesopfern handelt es sich jeweils um ältere Personen, die mit dem Virus infiziert waren. Das jüngste Todesopfer ist eine Krebspatienten aus Brescia in der Lombardei.
Die italienischen Behörden ergriffen am Wochenende drakonische Massnahmen: Elf Städte in Norditalien wurden abgeriegelt, 52'000 Menschen stehen praktisch unter Quarantäne. Wer versuche, die Absperrungen zu umgehen, dem drohe strafrechtliche Verfolgung.
In vielen Städten und Gemeinden wurden Schulen, Universitäten und ein Grossteil der Geschäfte geschlossen. Grossveranstaltungen wie Gottesdienste, Karnevalsfeste und Sportevents wurden abgesagt.
Wegen Bedenken im Zusammenhang mit dem Coronavirus hat die Schweizer Schule Rom ihr Skilager im Sport Resort Fiesch VS abgesagt. Die Gruppe sollte 66 Gäste umfassen.
Die Absage sei am Sonntagmorgen erfolgt, bestätigte Resort-Direktorin Barbara Moosmann auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA eine Meldung der Zeitung «Walliser Bote». Sie habe Verständnis für den Entscheid, obwohl Rom nicht im Gebiet liege, das von den behördlichen Massnahmen betroffen sei.
BAG und SBB halten vorerst die Füsse still
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ergreift bislang keine weiteren Massnahmen. Die Schweizer Behörden beobachten die Situation in Italien «genau». Das teilte das BAG am Sonntag der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit.
Auch die SBB hat bezüglich des grenzüberschreitenden Schienenverkehrs aktuell keine Massnahme getroffen.
Die Schweiz – und auch Frankreich – planen vorerst keine Blockaden an der Grenze zu Italien. Daniel Koch, Leiter der Abteilung für übertragbare Krankheiten im Bundesamt für Gesundheit, bestätigte gegenüber «Corriere della Sera», dass es keine Einschränkungen beim freien Personenverkehr geben wird.
Somit werden auch die italienischen Grenzarbeiter, die in die Kantone Wallis und Tessin kommen, nicht eingeschränkt.
Bündner Behörde beurteilt Lage
Die Bündner Behörden haben sich am Montag in Haldenstein bei Chur wegen des Coronavirus zu einer Lagebeurteilung getroffen. Der Grenzkanton sei vorbereitet, Massnahmen zu treffen, hiess es.
Der Leiter des Bündner Gesundheitsamtes, Rudolf Leuthold, nannte auf Anfrage als Beispiel einer solchen Massnahme, dass in einem bestätigten Krankheitsfall die Kontaktkette der betroffenen Person sofort zurück verfolgt werden könne.
Österreich trifft erste Massnahmen
Österreich hat den Zugverkehr mit Italien komplett eingestellt. ÖBB teilte am Sonntagabend mit, alle Zugverbindungen mit dem Nachbarland seien ausgesetzt. Wie lange die Sperre anhält, sei noch nicht klar.
Im Kampf gegen die Verbreitung des neuartigen Coronavirus hat die EU-Kommission Hilfszahlungen in Höhe von 232 Millionen Euro angekündigt. Das neue Hilfspaket solle die Weltgesundheitsorganisation WHO unterstützen und Ländern mit schwächerem Gesundheitssystem zur Verfügung stehen.
«Mit mehr als 2600 Toten gibt es keine andere Option, als sich auf allen Ebenen vorzubereiten», sagte der EU-Kommissar für Krisenmanagement, Janez Lenarcic, am Montag in Brüssel.
Unklare Todeszahlen im Iran
Die Zahl der gemeldeten Covid-19-Opfer im Iran ist auf 12 gestiegen. Das bestätigte Gesundheitsminister Saeid Namaki am Montag.
Die halboffizielle iranische Nachrichtenagentur ILNA sprach am Montag hingegen von mindestens 50 Todesopfern in der iranischen Stadt Qom. Mehr als 250 Menschen seien dort unter Quarantäne gestellt worden.
Auch die «Associated Press» berichtete, dass die Zahl der Todesopfer deutlich höher sei als die jüngste Anzahl bestätigter Fälle, die iranische Beamte gemeldet hatten.