Jetzt wollen Deutsche schon 12-jährige Täter bestrafen
Nach dem Mord an Luise (†12) diskutiert Deutschland die Senkung des Strafmündigkeitsalters. 12'000 Menschen haben eine entsprechende Petition unterschrieben.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Mörderinnen von Luise können wegen ihres Alters nicht strafrechtlich belangt werden.
- Viele Deutsche wollen nun das Strafmündigkeitsalter von 14 auf 12 Jahre senken.
- Einige Experten warnen aber vor den negativen Wirkungen des Jungendstrafvollzugs.
Nach dem Mord an Luise (†12) durch zwei Kolleginnen (12 und 13) diskutiert Deutschland über die Herabsetzung der Strafmündigkeit. Denn obschon die beiden Mädchen das Tötungsdelikt gestanden haben, können sie nicht strafrechtlich belangt werden. In Deutschland liegt das Strafmündigkeitsalter bei 14 Jahren, in der Schweiz bei 10 Jahren.
In einer Petition fordern bereits 12'000 Menschen, dass auch jüngere Kinder – und die beiden Mörderinnen – bestraft werden können. Es gibt aber auch viele Gegenstimmen.
Die Polizeigewerkschaft Nordrhein-Westfalen spricht sich gegenüber der «Siegener Zeitung» für die Senkung aus: «Polizisten werden im täglichen Dienst immer häufiger damit konfrontiert, dass bislang strafunmündige Kinder kriminelle Taten begehen.» Die Kinder seien auch immer rücksichtsloser und gewalttätiger, Statistiken belegten dies. Deshalb befürwortet die Gewerkschaft, das Strafmündigkeitsalter auf 12 zu setzen.
Auch Anwalt Steffen Hörning hält diese Altersgrenze für angemessen, wie er gegenüber «Focus» sagt. Denn der Entwicklungsstand der Kinder sei heute ein anderer als vor hundert Jahren, als das Gesetz eingeführt wurde.
Fälle wie jener in Freudenberg häuften sich. Deshalb sollte sich der Gesetzgeber Gedanken über eine Verschiebung der Altersgrenze machen, so Hörning.
Gegen die Verschiebung spricht sich Thomas Bliesener, Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, gegenüber «RND» aus: Es gebe keinen langfristigen Anstieg der Gewaltkriminalität von Kindern und Jugendlichen. Zudem sei der Strafvollzug für Kinder nicht die geeignete Form. «Eine professionelle Begleitung in Jugendhilfeeinrichtungen ist der bessere Weg.»
Experte: Gesellschaft soll sich Zeit lassen
Auch Kriminologe Thomas Feltes warnt vor den negativen Wirkungen des Jungendstrafvollzugs: Die hohe Rückfallquote und die «kriminelle Ansteckungsgefahr» seien empirisch belegt. Zudem habe das Jugendamt die gleichen Reaktionsmöglichkeiten, wie sie im Jungendstrafrecht vorgesehen seien. So könne es auch die Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt anordnen.
Der ehemalige Gerichtsdirektor Henning Lüdtke hält nichts davon, Einzelfälle für solch generelle Fragen des Strafrechts heranzuziehen. Senke man das Alter heute auf 12 herab, gebe es beim nächsten Fall mit jüngeren Tätern Diskussionen um Strafmündigkeitsalter 10. «Über solche Fragen muss sich die Gesellschaft Gedanken machen, aber sich dafür auch Zeit lassen.»