Körperscanner im Museum? Versicherer nach Protesten nervös
Grosse Kunstmuseen beherbergen Millionen- oder gar Milliarden-Werte. Dass einige zur Zielscheibe für radikale Klima-Protestaktionen geworden sind, bereitet auch den Versicherern Kopfzerbrechen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die umstrittenen Protestaktionen von Klimaschützern haben unter Museen und Versicherern eine Debatte um bessere Schutzmassnahmen für Kunstwerke ausgelöst.
Seit Monaten sorgen die Festklebeaktionen und Würfe von Kartoffelbrei und Tomatensosse auf wertvolle Objekte in Museen mehrerer Städte für Diskussionsstoff.
Gemessen am enormen Wert der Werke blieben die monetären Schäden zwar bisher relativ gering – doch betroffene Häuser zeigten sich schockiert und stellen sich die bange Frage: Bleibt es dabei? Und wie lässt sich ein besserer Schutz der Werke umsetzen, ohne dass der Kunstgenuss leidet?
Der Versicherungskonzern Allianz, der auch zu den grössten Kunstversicherern in Deutschland gehört, steht nach der Serie von Vorfällen bereits mit mehr als der Hälfte seiner Kunden im Austausch. Eine mittlere zweistellige Zahl an Museen sind bei dem Unternehmen oder bei Konsortien mit der Allianz versichert, denn in den Häusern sind derart hohe Werte versammelt, dass ein Versicherer alleine die Haftung gar nicht stemmen könnte.
Sicherheitsschleusen wie an Flughäfen?
Derzeit wollten viele Häuser ihre Risiken einschätzen und mögliche Gegenmassnahmen besprechen, wie Eric Wolzenburg, Leiter Kunstversicherung bei der Allianz Versicherungs-AG, berichtete.
Er ist davon überzeugt, dass es in vielen grossen Kunstmuseen künftig Sicherheitsschleusen wie an Flughäfen geben wird – mit einer Durchleuchtung von Taschen und Rucksäcken, Körperscannern und Mitnahmeverboten für spitze und scharfe Gegenstände oder Flüssigkeiten.
Bisher ist das in den zur Stiftung Preussischer Kulturbesitz gehörenden Museen, darunter etwas die Alte Nationalgalerie oder das Bode-Museum in Berlin, nicht der Fall. Jedoch müssen die Besucher dort nun Jacken und Taschen am Einlass abgeben – «aus gegebenem Anlass» wie es auf den Websites heisst.
Auch eine Sprecherin der Münchner Pinakotheken, die als Teil der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen der Staatshaftung unterliegen, verwies auf die «aus aktuellem Anlass» und «im Interesse des Schutzes der Kunstwerke und Gebäude» verstärkten Sicherheitsmassnahmen. Gegenstände wie Taschen sowie Mäntel und Jacken müssen auch dort an der Garderobe abgegeben oder in Schliessfächern hinterlegt werden, und wer aus gesundheitlichen Gründen eine Tasche bei sich hat, muss diese kontrollieren lassen. Neben solchen Massnahmen wird auch der Ruf nach mehr Aufsichtspersonal für die Museen laut.
Möglichst wenig, aber wirkungsvolle Sicherung
Den Versicherern komme eine «konservatorische Mitverantwortung» zu, sagt Allianz-Manager Wolzenburg. Wenn ein Unikat unrettbar beschädigt werde, könne schliesslich kein Geld der Welt und auch keine Versicherungssumme es wieder herstellen. Ziel sei, Werke präsentieren zu können mit möglichst wenig, aber wirkungsvoller Sicherung, die das Kunsterlebnis barrierefrei ermöglicht und zugleich Schäden abwendet. «Zentimeterdickes Panzerglas und dann noch ein Käfig aus Metallstäben und vielleicht noch eine weitere Sicherheitseinrichtung – das funktioniert nicht», sagt Wolzenburg.
Problematisch sei aber nicht nur der künftig wohl erschwerte Zugang zu Kunstwerken durch verschärfte Eingangskontrollen, sondern auch Einschränkungen für Ausstellungen. «Wir wissen, dass auch Privatpersonen zurückhaltender werden, weil sie Sorge haben, dass das eine unverglaste Objekt, das sie als Leihgabe einliefern, möglicherweise genau das Objekt ist, was den nächsten Angriff erlebt», sagt Wolzenburg.
Aus seinen Gesprächen erfahre er, dass die radikalen Aktionen der Klimaschützer sowohl von den Museen, aber auch von allen Kultur- und Kunstliebhabern strikt abgelehnt würden. «Ich habe kein Problem mit der Kernbotschaft der Klimaaktivisten, dass wir uns beeilen müssen, um das 1,5-Grad-Ziel noch sinnvoll zu erreichen, aber dass Kunst willentlich beschädigt wird, das ist nicht in Ordnung.» Die Gruppe «Letzte Generation» handele zum Schaden der Kunst und nutze diese «als Katalysator», um ihre Ziele und Botschaften in die Öffentlichkeit zu bringen. «Da wurde eine Grenze überschritten», sagt Wolzenburg.
Versicherung von Kunstwerken sehr individuell
Von den betroffenen Häusern seien der Allianz jeweils Schäden in einer Grössenordnung von rund 15.000 Euro oder etwas mehr gemeldet worden. Auf die Prämien hätten die Vorfälle und ihre Folgen bisher noch keine Auswirkungen, er wage aber keine Prognose in die Zukunft.
Beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) liegt keine Übersicht darüber vor, wie viele Kunstwerke und in welchem Wert in Deutschland versichert sind. Die Versicherung von Kunstwerken sei sehr individuell – und ob und gegen welche Gefahren die Eigentümer oder Museen Kunstwerke versichern, könne nur anhand des Einzelfalls beantwortet werden. «Die Beschädigung oder Zerstörung von Kunstwerken als Form des politischen Protests beobachten wir mit Sorge. Friedlicher Protest ist legitim, Gewalt gegen Sachen nicht», sagt eine GDV-Sprecherin.
«Letzte Generation»-Sprecher: Kritik unangemessen
Ein Sprecher der Klimaprotest-Gruppe «Letzte Generation» hält die Kritik an den Aktionen angesichts der zu befürchtenden Folgen der Klimakatastrophe für unangemessen. «Worüber reden wir und empören wir uns – dass etwas auf ein Bild geflogen ist oder darüber, dass uns die Lebensgrundlagen schlicht genommen werden», sagte er. Die Bundesregierung leugne mittlerweile gar nicht mehr, dass Deutschland seine Klimaziele nicht einhalten könne.
Zu befürchten seien Hungersnöte und Bürgerkriege. Die Krise sei «allumfassend» und bedrohe letztlich auch die Kunst, sagte der Sprecher. Die Gesellschaft müsse deshalb zusammenkommen und entscheiden: «Gehen wir weiter diesen todbringenden Weg oder setzen wir uns zusammen und bauen was Neues auf?»