Krankenhausgesellschaft: Laufen auf Katastrophen-Medizin zu
Müssen Mediziner irgendwann entscheiden, welche Patienten versorgt werden und welche nicht? Der Weg dahin ist ein schleichender Prozess, warnt ein Mediziner.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gass, warnt vor harten Triage-Entscheidungen in Krankenhäusern.
Mit Blick auf die zahlreichen Covid-Patienten auf den Intensivstationen sagte er am Montag im Deutschlandfunk: «Das findet jetzt auch aktuell statt, um sich auf noch schwierigere Lagen vorzubereiten. Wir laufen langsam, aber sicher in eine Art Katastrophen-Medizin hinein.» Triage bedeutet, dass Mediziner aufgrund von knappen Ressourcen entscheiden müssen, welchen Patienten sie zuerst helfen.
Schon jetzt würden Intensiv-Patienten früher «als medizinisch vertretbar» auf Normalstationen verlegt werden, erklärte Gass. «Man weiss: Wir können nicht mehr allen Patienten die bestmögliche Behandlung ermöglichen, (...) die wir im Regelfall zur Verfügung haben.» Das sei schon eine Art von Triage.
«Wenn wir von Triage sprechen, ist das ein schleichender Prozess, der nach und nach immer härter Realität wird», sagte Gass. So müssten sich Patienten und Kliniken darauf einstellen, dass auch «medizinisch kompliziertere Fälle» beispielsweise mit einer Verschiebung ihrer Operationen rechnen müssten.
Harter Lockdown erforderlich
Angesichts der Situation in manchen Bundesländern sei ein harter Lockdown nun «zwingend erforderlich». In Bayern, Sachsen oder Thüringen sei «längst der Punkt überschritten, wo man noch irgendwie zuwarten könnte». Hier müsse dringen gehandelt werden, forderte Gass. «Hier brauchen wir nicht nur ein Brechen des Trends. Wir brauchen hier dringend einen wirklichen Rückgang der Infektionszahlen - und das wird man nur über einen weitgehenden Lockdown dann auch realisieren können, der wohl auch nicht nur die Ungeimpften treffen wird, sondern auch die Geimpften treffen wird.»
Verlegungen von Corona-Patienten aus Hotspot-Gebieten in andere Regionen Deutschlands werde es auch in den kommenden Wochen weiterhin und vermehrt geben. Auch Verlegungen ins Ausland schloss Gass nicht mehr aus. «In der Summe werden sicherlich Hunderte von Patienten verlegt werden. Das ist aber keine Zahl, die wir täglich erleben, sondern das ist eine Zahl, die sich dann aufsummiert.»
Die Patienten, die sich in den vergangenen zehn Tagen mit Corona angesteckt haben, würden in den kommenden zehn, zwölf Tagen in die Krankenhäuser kommen, warnte Gass. «Das heisst: Egal, was wir jetzt machen an Lockdown - in den nächsten zehn, zwölf Tagen werden weitere Tausende von Patienten in die Krankenhäuser kommen und auch auf die Intensivstationen. Das können wir jetzt schon gar nicht mehr verhindern.»