Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bricht laut US-Medien zu seiner ersten Auslandsreise seit Kriegsbeginn auf: In Washington will er US-Amtskollege Joe Biden treffen. Die News im Überblick.
Das Wichtigste in Kürze
- Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj startet Berichten zufolge heute zu seiner ersten Auslandsreise seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar.
Er wird in der US-Hauptstadt Washington erwartet, wo auch ein Treffen mit US-Präsident Joe Biden im Weissen Haus geplant ist. Anlässlich des Besuchs wollen die USA auch bekanntgeben, das Patriot-Flugabwehrsystem zur Verteidigung gegen russische Luftangriffe zu liefern.
Am Vortag hatte Selenskyj nach seinem Besuch in der «Festung Bachmut» am vorderster Front im Osten der Ukraine den Willen zur vollständigen Befreiung aller russisch besetzten Gebiete bekräftigt. In Moskau wiederum wies der russische Präsident Wladimir Putin die Sicherheitskräfte an, den Schutz der Bevölkerung in den «neuen Gebieten» der Russischen Föderation zu verstärken.
Berichte über Besuch Selenskyjs und Treffen mit Biden
Mehrere US-Medien berichteten gestern Abend (Ortszeit), Selenskyj wolle heute persönlich vor dem US-Kongress sprechen und auch Biden treffen. Eine offizielle Bestätigung zu einem Besuch gab es in Washington zunächst nicht. Auch aus Kiew gab es zu einer geplanten Reise keine Angaben. Seit Kriegsbeginn am 24. Februar hat Selenskyj sein Land nicht verlassen. Für Auftritte auf der politischen Weltbühne – etwa beim G7-Gipfel im bayerischen Elmau – liess er sich stets digital aus der Ukraine zuschalten.
Darüber hinaus will die US-Regierung Medienberichten zufolge die geplante Lieferung des Patriot-Flugabwehrsystems während des möglichen Besuchs Selenskyjs in Washington bekanntgeben. Das berichteten mehrere US-Medien gestern Abend (Ortszeit) unter Berufung auf nicht namentlich genannte Quellen. Das Luftverteidigungssystem Patriot kann Flugzeuge, Marschflugkörper, Drohnen oder Raketen auch in grösserer Entfernung abwehren.
Es würde Russlands Angriffe mit Raketen und Drohnen auf die zivile Infrastruktur in der Ukraine erschweren. Mit besseren westlichen Waffen wird die Ukraine immer mehr zur «No-Fly-Zone» für russisches Fluggerät und auch Raketen und Drohnen werden besser abgefangen.
Selenskyj: Werden alle Teile der Ukraine befreien
«Wir werden alles Mögliche und Unmögliche, Erwartete und Unerwartete tun, damit unsere Helden alles haben, was sie brauchen, um zu gewinnen», sagte Selenskyj gestern in seiner täglichen Videoansprache. Die Truppen sollten das erreichen, was «alle Ukrainer erwarten».
Selenskyj listete die zu befreienden Gebiete auf. «Das ist unsere Region Luhansk, das ist unser Süden der Ukraine, das ist unsere Krim», sagte er. «Die Ukraine wird dem Feind nichts Eigenes überlassen.» Russland hat die Gebiete völkerrechtswidrig annektiert und betrachtet sie nun als festen Bestandteil seines Staatsgebietes.
Bei seinem Besuch im Osten des Landes habe er auf dem Weg zur «Festung Bachmut» viele schwer beschädigte und zerstörte Dörfer gesehen, die erst vor kurzem von ukrainischen Truppen befreit worden seien. «Schauen sie sich Russlands Offensive an, was es übrig lässt, wenn es irgendwo seine Flagge hinpflanzt», sagte Selenskyj. «Verbrannte Erde, zerstörtes Leben ... Schmerzen, Ruinen und Gräber – das ist der sogenannte Russische Friede.»
Putin erörtert Lage in besetzten Gebieten Donezk und Luhansk
Putin besprach gestern in Moskau mit den von ihm eingesetzten Besatzungschefs der ostukrainischen Regionen Luhansk und Donezk die aktuelle Lage an der Front. Wie schon tags zuvor hob Putin die extrem schwierige Lage in den beiden Regionen hervor, wie die staatliche Nachrichtenagentur Tass berichtete. I
In der Unterredung mit dem Donezker Besatzungschef Denis Puschilin und dessen Lugansker Kollegen Leonid Paschetschin wollte sich Putin zunächst mit «lebenswichtigen Fragen» der Versorgung der Zivilbevölkerung in den beiden besetzten Gebieten mit Wasser, Heizung und Gesundheitsdiensten befassen, hiess es. «Erst danach werden wir zu Fragen der Sicherheit übergehen.»
Kämpfe um ostukrainische Frontstadt Bachmut dauern an
Nach dem Besuch Selenskyjs in der Frontstadt Bachmut im Osten des Landes kam es in der Umgebung erneut zu schweren Kämpfen. «Der Feind setzt seine Bemühungen um Offensivoperationen gegen Bachmut und Awdijiwka fort», teilte der Generalstab in Kiew gestern Abend mit. Unter anderem seien aus der Region Panzerangriffe gemeldet worden, ebenso wie Artillerieüberfälle und vereinzelte russische Luftschläge.
Nördlich davon hätten russische Truppen versucht, bei Kupjansk bessere Stellungen zu erreichen. Dort habe die russische Armee «ihr ganzes Spektrum» der Artillerie gegen mindestens 15 Siedlungen eingesetzt, hiess es weiter. Die Angaben aus Kiew liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Medien: Russland verlegt in Belarus erneut Truppen an Ukraine-Grenze
Das russische Militär hat ukrainischen Medienberichten zufolge erneut mit der Verlegung stärkerer Truppenverbände an die Grenze von Belarus zur Ukraine begonnen. Neben Panzern, Schützenpanzern und Transportern sei auch diverses militärisches Gerät in die Nähe der Grenze gebracht worden, berichteten die «Ukrajinska Prawda» und die Agentur Unian gestern unter Berufung auf das belarussische Hacker-Kollektiv «Hajun Project».
Die Gruppe verfolgt alle Aktionen der dort stationierten russischen Truppen. Für Angriffshandlungen seien die an die Grenze verlegten Verbände gegenwärtig aber nicht stark genug, hiess es.
Die ukrainische Militärführung argwöhnt schon länger, dass Russland erneut versuchen könnte, aus Belarus in die Ukraine vorzustossen. Zu Beginn des Kriegs vor zehn Monaten war eine aus Belarus vordringende russische Kampfgruppe bis in die Vororte von Kiew gelangt, wurde dann aber von den Verteidigern zum Rückzug gezwungen.
Was heute noch wichtig wird
Fast zehn Monate nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine will Kremlchef Putin heute Zwischenbilanz ziehen und einen Ausblick geben. Putin werde eine erweiterte Sitzung des Verteidigungsministeriums leiten, zu der 15.000 Kommandeure und andere militärische Führungskräfte per Video zugeschaltet werden, teilte der Kreml mit. Dabei gehe es um die Ergebnisse dieses Jahres und um Aufgaben und Ziele für das kommende Jahr, hiess es.