Ukraine-Krieg: Kaum Fortschritte bei dritten Verhandlungen

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Die Einrichtung von Fluchtkorridoren scheitert – auch weitere Gespräche bringen keine Lösung. Am Dienstag soll nun erneut eine Waffenruhe die Evakuierung von Zivilisten ermöglichen. Die Lage am Montag.

Das von der belarussischen Staatsagentur BelTA verbreitete Bild zeigt ukrainische und russische Vertreter, die an der dritten Gesprächsrunde in Brest, Belarus, teilnehmen. Foto: Uncredited/BelTA/AP/dpa
Das von der belarussischen Staatsagentur BelTA verbreitete Bild zeigt ukrainische und russische Vertreter, die an der dritten Gesprächsrunde in Brest, Belarus, teilnehmen. Foto: Uncredited/BelTA/AP/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Trotz anhaltender Angriffe Russlands auf die Ukraine dauern die diplomatischen Bemühungen um ein Ende des seit fast zwei Wochen andauernden Krieges an.

Nach neuen Verhandlungen am Montag haben Russland und die Ukraine die Absicht zur Schaffung humanitärer Korridore in den umkämpften Gebieten bekräftigt. Die USA, Deutschland, Frankreichs und Grossbritannien forderten Russland erneut zum sofortigen Rückzug seiner Truppen auf. Am Donnerstag ist nach türkischen und russischen Regierungsangaben ein Treffen der Aussenminister der Ukraine und Russlands in Antalya geplant. Seitens der Ukraine hiess es, ein Treffen werde geprüft.

Neuer Anlauf für humanitäre Korridore

Die dritte Runde der Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine hatte in Belarus rund drei Stunden gedauert. Es gebe kleine positive Schritte, sagte der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak. Russlands Verhandlungsführer Wladimir Medinski kündigte für diesen Dienstag einen neuen Anlauf an, um Menschen über Korridore in Sicherheit zu bringen.

Die Ukraine wirft Russland jedoch vor, die für Dienstag geplante Öffnung von Fluchtrouten zu untergraben. Obwohl man sich mit Moskau und auch dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes auf eine Route über die zentralukrainische Stadt Poltawa geeinigt habe, habe Moskau per Brief neue Routen nur über Russland und Belarus angekündigt. Das sagte der ukrainische UN-Botschafter Serhij Kyslyzja am Montag in New York bei einer Dringlichkeitssitzung zur humanitären Lage in der Ukraine. «Ich fordere die russische Seite auf, zu den zuvor vereinbarten Routen zurückzukehren, um ukrainischen und ausländischen Bürgern die Ausreise nach Europa zu ermöglichen.»

Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja betonte hingegen, dass Flüchtlinge nicht unbedingt nach Russland geschickt würden: «Es wird auch eine Evakuierung in Richtung ukrainischer Städte westlich von Kiew angeboten», zitierte Nebensja aus einer neuen Erklärung aus Moskau.

Zudem bietet Russland nach Angaben seines UN-Botschafters am Dienstag eine erneute Feuerpause zur Öffnung der humanitären Korridore an. «Darin heisst es, dass die russische Partei erneut sagt, dass morgen, am 8. März um 10 Uhr morgens Moskauer Zeit, eine Waffenruhe durchgeführt und humanitäre Korridore geöffnet werden sollen», um Bürger aus Kiew, Tschernihiw, Sumy, Charkiw und Mariupol zu evakuieren.

Hunderttausende Menschen in Not

Zwölf Tage nach Beginn der russischen Invasion in die Ukraine sind Hunderttausende Menschen in den angegriffenen Städten in Not. Am Wochenende waren aber Anläufe für Evakuierungen von Bewohnern der von Russland belagerten Hafenstadt Mariupol im Südosten der Ukraine gescheitert. Beide Seiten warfen sich vor, gegen eine vereinbarte Feuerpause verstossen zu haben.

US-Präsident Joe Biden, Kanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der britische Premier Boris Johnson seien sich einig, «dass der Schutz der Zivilbevölkerung höchste Priorität haben müsse und Russland aufgefordert bleibe, seinen völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine unmittelbar zu beenden und seine Truppen komplett zurückzuziehen», teilte der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit nach einer Videoschalte mit. Am Dienstag wird US-Aussenminister Antony Blinken in Estland sowie in Paris zu einem Treffen mit Macron erwartet. Zuvor hatte Blinken hat eine Verlegung weiterer US-Truppen in das Baltikum angekündigt.

Selenskyi fordert Boykott russischer Ölexporte

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte einen Boykott russischer Exporte und damit auch den Verzicht auf Erdöl und Erdgas aus Russland: «Man kann es Embargo nennen oder auch einfach Moral, wenn man sich weigert, den Terroristen Geld zu geben.» Deutschland will allerdings weiter auf Energieimporte aus Russland setzen. «Die Versorgung Europas mit Energie für die Wärmeerzeugung, für die Mobilität, die Stromversorgung und für die Industrie kann im Moment nicht anders gesichert werden», sagte Kanzler Scholz. Energie aus Russland sei von essenzieller Bedeutung für das tägliche Leben.

Die EU-Kommission wird nach Angaben ihrer Chefin Ursula von der Leyen an diesem Dienstag Vorschläge für eine schnelle Abkopplung der EU von russischen Energielieferungen vorstellen. «Wir müssen uns aus der Abhängigkeit von Gas, Öl und Kohle aus Russland befreien», sagte sie.

Putin fordert Druck der EU auf Ukraine

Russlands Präsident Wladimir Putin rief die EU auf, «einen echten Beitrag zur Rettung von Menschenleben» zu leisten und «Kiew zur Einhaltung des humanitären Rechts» zu bewegen», wie der Kreml mitteilte. Die russischen Truppen hätten mehrfach eine Waffenruhe zur Rettung von Menschen ausgerufen. Die «ukrainischen Nationalisten» hätten dies aber «durch Gewalt gegen Zivilisten und Provokationen aller Art verhindert».

Als Bedingung für eine Einstellung der Gefechte fordert Russland, die Ukraine müsse sich in ihrer Verfassung für neutral erklären. Zudem müsse Kiew die annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim als russisch sowie die Separatistengebiete als unabhängig anerkennen. Am Montag meldete Moskau weitere Geländegewinne in der Ostukraine. Die ukrainischen Streitkräfte fügten den Angreifern nach eigenen Angaben schwere Verluste bei. Die Angaben der beiden Kriegsparteien liessen sich nicht von unabhängiger Seite überprüfen.

Die Ukraine rief das höchste Gericht der Vereinten Nationen zum Eingreifen gegen Russland auf. Angesichts der russischen Angriffe und des menschlichen Leids solle der Internationale Gerichtshof so schnell wie möglich ein Ende der Gewalt anordnen. Russland boykottierte die Sitzung am Montag.

UN zählen bisher 1,7 Millionen Flüchtlinge

Nach Zahlen der UN-Flüchtlingshilfsorganisation UNHCR von Montag haben inzwischen 1,7 Millionen Menschen die Ukraine verlassen. Die EU rechnet mit bis zu fünf Millionen Kriegsflüchtlingen. Man sei bereits jetzt bei etwa 1,6 Millionen, sagte der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell: «Eine so grosse Flüchtlingsbewegung haben wir seit Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr erlebt.»

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sucht nach Möglichkeiten, Flüchtlinge aus der Ukraine möglichst früh auf verschiedene Bundesländer aufzuteilen. Das Ministerium weiss bislang von 50 294 nach Deutschland eingereisten Kriegsflüchtlingen. Da es keine Grenzkontrollen gibt, kann die tatsächliche Zahl deutlich höher sein.

USA stellen sich auf langen Konflikt ein

Die USA erwarten einen lang andauernden Konflikt in der Ukraine. «Wir sind besorgt, dass die Welt auf einen sehr langen und sehr schwierigen Weg vorbereitet werden muss», sagte die amerikanische UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield am Montag in New York bei einer Dringlichkeitssitzung zur humanitären Lage in der Ukraine. Russlands Präsident Wladimir Putin sei «eindeutig bereit, das Leben Tausender russischer Soldaten zu opfern, um seine persönlichen Ambitionen zu verwirklichen.»

Folgen des Kriegs könnten Menschen weltweit treffen

Nach Auffassung von US-Aussenminister Blinken zeigen die Sanktionen gegen Russland Wirkung. «Sie haben bereits dramatische Auswirkungen», sagte er. Der Rubel befinde sich im freien Fall, die Kreditwürdigkeit Russlands sei praktisch auf null gesunken. Zudem zeige sich ein «Exodus praktisch aller führenden Unternehmen aus Russland».

Russlands Krieg könnte nach Angaben von Entwicklungsministerin Svenja Schulze katastrophale Folgen für die Lebensmittelversorgung in ärmeren Weltregionen haben. «Russland und Ukraine sind zwei der grössten Exporteure für Weizen und damit die Kornkammer der Welt», sagte die SPD-Politikerin. Wenn diese Exporte wegbrechen, werden Nahrungsmittelpreise nach ihren Worten weiter steigen. Das könnte 8 bis 13 Millionen Menschen zusätzlich in den Hunger treiben.

Der Krieg hat auch immer grössere wirtschaftliche Folgen. Debatten über einen Importstopp für russisches Öl hat die Ölpreise auf den höchsten Stand seit 2008 getrieben. In Deutschland ist Tanken so teuer wie nie. Bundesweit kostete ein Liter Super E10 am Sonntag laut ADAC im Schnitt 1,965 Euro – Diesel war mit 1,984 Euro noch teurer.

Selenskyj will im britischen Parlament sprechen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will sich am Dienstag per Videoschalte im britischen Unterhaus zu Wort melden. Selesnkyj werde am Dienstag um 17.00 Uhr Ortszeit zu den Abgeordneten sprechen, kündigte der Sprecher des Unterhauses, Lindsay Hoyle, am Montagabend an. «Jeder Parlamentarier will direkt vom Präsidenten hören, der live zu uns aus der Ukraine sprechen wird, daher ist dies eine wichtige Gelegenheit für das Parlament», hiess es.

In der vergangenen Woche hatte der ukrainische Präsident Selenskyj, der sich regelmässig in Videoclips an sein Volk und die internationale Öffentlichkeit wendet, auch bereits per Videoschalte im EU-Parlament gesprochen.

Berlin und Paris wollen mit Peking reden

In den diplomatischen Bemühungen für ein Ende des Kriegs in der Ukraine suchen Deutschland und Frankreich den Austausch mit China. Dazu ist ein Gespräch zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron und dem chinesischen Staatschef Xi Jinping am Dienstag geplant, wie Macron am Montagabend auf einer Wahlkampfveranstaltung in Poissy bei Paris ankündigte. China gilt als strategischer Partner Moskaus. Am Montag stärkte es dem Nachbarland den Rücken.

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